Doris von Drathen
Elke Wagner
XPO-Galerie, Hamburg,
11.9.-18.10.1986
Im Eingangsraum der Galerie liegt ein großes rosa Ei. Seine körperliche Fülle beherrscht den Raum. Das Ei wiegt mehrere Zentner; sechs Transportmänner gerieten ins Schwitzen, als sie es in die Galerie bugsierten.
Elke Wagner sucht mit ihren plastischen Arbeiten nach den Urformen von Körperlichkeit. Das Riesenei hat eine zerfurchte Oberfläche. Der Eindruck von weicher Haut über zartem Fleisch drängt sich auf; der Vers aus Baudelaires Fleurs du Mal vom duftenden Kinderfleisch: »Il est des parfums frais comme des chairs d’enfants« wird wach.
Die Berliner Bildhauerin provoziert solche Bilder bewußt. Sie formt ihre Skulpturen aus Beton, einem als Baustoff geringgeschätzten Material, dem sie die Härte nimmt, dem sie fleischliche Körperlichkeit und eine weiche Erotik ablockt. Wagner gibt dem Beton rosa Farbpigmente bei; sie malt ihn nicht an, sondern läßt ihn aus seiner massigen Materie heraus leuchten. Die Einkerbungen, Furchen und Falten lassen die geschmeidig glattpolierte Oberfläche lebendig wirken. Der große rosa Körper könnte auch eine geschlossene Muschel oder eine Frucht kurz vor dem Aufplatzen sein. Wagner legt sich in der Form nicht bildnerisch fest. Sie erarbeitet eine absolute Körperlichkeit; auf der Suche nach körperlicher Abstraktion, schafft sie organische Formen von hautnaher Lebendigkeit.
Heiter, ausgelassen, hocken, liegen, lehnen ihre schwarzen, gedrehten Figuren im Raum. Aus schwarzgefärbten Betonblöcken in Brikett-Format hat sie die Figuren zusammengesetzt, Gestalten wie aus aufgereihten kantigen Perlenschnüren oder schilfartigen Schachtelhalmen. Manche stehen lässig an die Wand gelehnt, eine sitzt auf dem Boden. Es ist das Trugbild einer Gestalt: Wagner hat die Sitzende auf zwei übereinandergeschlagene Beine…