Martin Blättner
Elger Esser
»Eigenzeit«
Kunstmuseum Stuttgart, 28.11.2009 – 11.4.2010
Eine Landschaft entschwindet. Nur noch eine dünne Horizontlinie suggeriert die Tiefe des Raumes, die den Himmel und das Meer trennt, aber im hellen Gelblicht der verblassten Farbe zu einer monumentalen Fläche zusammenwächst. Nur der Titel der Fotografie „Baie du Mont Saint Michel“ verrät, dass es sich bei dem verschwommenen Berg im Hintergrund um das berühmte Kloster handeln muss. Das Motiv des großformatigen C-Prints löst sich fast in der Unendlichkeit auf: Ein Thema, das sich vor etwa 200 Jahren Caspar David Friedrich in der Malerei zu eigen machte und also jetzt, in der Nachmoderne des 21. Jahrhunderts von Elger Esser unter ganz anderen Vorzeichen im Rahmen einer konzeptuellen „Eigenzeit“ neu präsentiert wird.
Die Bildmotive des Erhabenen und der Monumentalisierung könnten dazu verleiten, in Esser einen distanzlosen Romantiker zu sehen, der sich noch immer auf der Suche nach einer Art „Weltformel des universalen Ganzen“ befindet und der Auseinandersetzungen mit dem virulenten Zeitgeist und der schnelllebigen Kultur aus dem Leben geht. So einfach ist es jedoch nicht. Esser bindet seinen Retro-Blick in ein literarisches Konzept ein: In das poetisch-melancholische Erinnerungskonstrukt der „verlorenen Zeit“ von Marcel Proust, in eine sozusagen relativierte Zeit, die allerdings mehrdeutig ist. Sie ist nur dann nicht unwiederbringlich verloren, wenn sie in der Erinnerung in einem Kunstwerk bewahrt oder neu erschaffen wird.
Diesbezüglich hat Elger Esser, der zwar (1967) in Stuttgart geboren, aber in Rom aufgewachsen ist, viel dafür getan. Über drei Stockwerke breitet der Sohn eines Schriftstellers und einer Fotografin seine Werke aus….