Heinz Thiel
El Lissitzky
Sprengel Museum, 24.1.-10.4.1988
Der hundertste Geburtstag von El Lissitzky ist zwar erst in zwei Jahren, aber das Sprengel-Museum in Hannover hat schon jetzt die bisher umfangreichste Retrospektive dieses russischen Konstruktivisten zusammengestellt.
Lissitzky war in seinem künstlerischen und privaten Leben eng mit Hannover verbunden; die Stadt an der Leine war gewissermaßen seine westliche Heimatstadt. Seit 1921 hielt er sich fast zehn Jahre überwiegend außerhalb der nachrevolutionären und im gesellschaftlichen Umbruch befindlichen Sowjetunion auf. In teils offizieller, teils offiziöser Form verbreitete er in Deutschland, Holland und der Schweiz die neue Kunst, die sich vom Elan des jungen Sozialismus mitreißen ließ.
El Lissitzky, der seine beiden Vornamen Lasar Morduchowitsch auf die Sprechversion des Anfangsbuchstaben L (= EL) reduzierte, wurde 1890 in der Nähe von Smolensk geboren. Der Vater war Gutsverwalter, aber ein vielsprachiger, belesener und abenteuerlustiger Mann. Im Geburtsjahr von El Lissitzky besuchte er Amerika, kehrte aber wieder nach Rußland zurück; der Sohn führte später ein weitaus intensiveres Reiseleben, aber auch er kehrte immer wieder in die Heimat zurück. Von 1909 bis zum Kriegsbeginn studierte El Lissitzky Architektur in Darmstadt, beendete die Ausbildung während des Krieges in Moskau und schloß sich dann der breiten Bewegung zur Wiederbelebung jüdischer Kultur an. Buchillustrationen und freie künstlerische Arbeiten waren deutlich von Chagall beeinflußt.
Das wichtigste Jahr seines Lebens ist wahrscheinlich das Jahr 1919. Chagall hatte ihn in seine Kunstschule in Witebsk als Lehrer aufgenommen, und dort trifft er den zwölf Jahre älteren Kasimir Malewitsch. Bis zu diesem Treffen hatte El Lissitzky sich im Stile Chagalls mit der…