Klaus Theweleit
»Einzeln zu sein ist gar nicht schlecht«
Der Freiburger Freidenker über Machtpole, den Mauerfall, Madonna, das Fehlen von »Starken« Vätern und über Frontbildungen
Ein Gespräch von Kerstin Grether und Jörg Heiser
Klaus Theweleit, der mit seiner Dissertation “Männerphantasien” 1977 die besseren Hippie-Errungenschaften hinüber ins Punk-Zeitalter beförderte, gilt bis heute als guter Stichwortgeber in Fragen der Macht und als Stil-Inspirator für eine bestimmte Schule von Musik-Journalisten, Musikern und Denkern. Seine jüngst erschienene Fortsetzung des “Buch der Könige”, fiel zunächst weniger durch seine neuartigen Thesen oder geilen Peinlichkeiten auf wie der 1988 erschienene erste Band, sondern durch seine obsessiven, schönen, gut nachvollziehbaren und doch leicht verrückten Werkanalysen von Gottfried Benn bis Elvis und Warhol.
Handelte das “Buch der Könige 1” (1988) von Paarbeziehungen und Opferungen, von der Art und Weise, wie Groß-Künstler (Könige) die Körper von Frauen benutzen, um durch sie ihre Produktion zu nähren (vgl. KUNSTFORUM, Band 107/1990, S. 90 ff.), so geht es jetzt im Fortsetzungs-Doppel-Band ganz direkt um das Verhältnis der Könige zur Macht. Im ersten Teilband “Orpheus am Machtpol” verfolgt Theweleit Gottfried Benns Verwandlung vom ästhetisch-radikalen, in linken Zusammenhängen auftretenden Dichter zum isolierten faschisierten Schatten seiner selbst. Zu einem Schatten, der in Radioreden wie Hitler zu sprechen versucht. Ezra Pound und Louis-Ferdinand Céline sind ihm weitere Beispiele dafür, wie im Europa der Dreißiger Künstler aus der Isolation heraus die Nähe zur bestehenden Macht suchten – und wie sich das auf ihre Produktion auswirkte.
Aber die Geschichte von Kunst und Macht hört für Theweleit 1945 nicht auf. Zwar gibt es in…