Einwanderungsland Deutschland.
Migration als Herausforderung für die Kunst
von Burcu Dogramaci
Was ist Heimat?“, fragt die Schriftstellerin Hatice Akyün in einem Essay von 2011 und gibt eine Antwort, die fernab nationaler Identitäten oder Staatszugehörigkeiten heimatliche Bindungen beschreibt: „Heimat ist für mich die A 42, die durch Duisburg geht. […] Mit Duisburg verbinde ich meine Kindheit, meine Jugend, und auch eine Zeit, in der ich noch keinen sogenannten Migrationshintergrund hatte und einfach nur Hatice, der Mensch, war. Eines hat meine Stadt für mich immer einzigartig gemacht: Hier ist jeder Duisburger, ganz egal, woher er kommt oder woran er glaubt.“1 Akyüns Überlegungen, publiziert 2011 von Hilal Sezgin in einem Band mit dem Untertitel Deutschland erfindet sich neu, sind eine Antwort auf die populistischen Thesen des Politikers Thilo Sarrazin in seinem Buch Deutschland schafft sich ab, das 2010 zu einer heftigen Debatte um Einwanderung und vermeintlich mangelnden Integrationswillen geführt hatte. Bemerkenswert an Akyüns Ausführungen ist nicht nur, wie sie Heimat definiert, sondern dass sie überhaupt diesen urdeutschen Begriff verwendet, um Zugehörigkeiten in einer diversifizierenden Gesellschaft konstruktiv zu reflektieren. Heimat als Denkbegriff scheint in der Gegenwart eine neue Relevanz zu erhalten, was mit der massiven Mobilität und Migration im Zeichen der Globalisierung zusammenhängen dürfte. Es wächst nicht nur das Bedürfnis, Heimat als vermeintlichen Antagonisten des Fremden starkzumachen, sondern auch das, sie unter veränderten Voraussetzungen neu zu definieren. Heimat ist dabei ein im deutschen Sprachgebiet verorteter Begriff, eine Übersetzung in andere Sprachen ist kaum möglich. Der Medienphilosoph und Emigrant Vilém Flusser schrieb über die Unmöglichkeit der Translation:…