Christel Heybrock
Einschiffung zu den Inseln der Sehnsüchte
‘Egonavigato’, eine Ausstellung mit vier italienischen Avantgarde-Künstlern im Kunstverein Mannheim
Riesenbilder an den Wänden des Mannheimer Kunstvereins. Rot, ekstatisch, Muschelwirbel, ein Mann mit züngelndem Messer schleicht auf eine dunkle Öffnung zu, eine blasse und eine durchpulste Welt begegnen einander in Gestalt zweier Akte, schwarze Spermien schwimmen auf Weiß, sanfte Stühle haben ihr Oben und Unten verloren. Eine neue Kunstrichtung aus Italien; der Kölner Galerist Paul Maenz prägte für die gestern eröffnete Ausstellung den schönen Begriff “Egonavigatio”, was man vielleicht übersetzen könnte mit “Reise ins Ich”.
Auf der Suche nach Verständnishilfen gerät man an einen Katalog, den man von hinten und vorn lesen kann, weil man ihn ohnehin ständig auf den Kopf stellen und drehen muß, um die Texte zu lesen. Spätestens in der Mitte weiß man dann nicht mehr, wo man angefangen hat. Orientierungslosigkeit als Verwirrspiel, reizvoll und waghalsig. Aufforderung, die Balance zu verlieren.
Im übrigen hilft der Katalog aber nicht nur nicht mehr weiter, sondern verbarrikadiert einem geradezu den Genuß einer Kunst, die als “neu” gepriesen, ansonsten aber fast diffamiert wird, aus Versehen wahrscheinlich, weil sich auch Leute, die mit moderner Kunst zu tun haben, oft schwer tun im Begreifen von Dingen, von denen sie glauben, es habe sie noch nie gegeben. Am besten verläßt man sich ganz auf seine eigenen Augen. Am besten bringt man einfach kindliche Neugier und den Wunsch zur Auseinandersetzung mit, um festzustellen, daß diese Kunst aus der Phantasie und den inneren Sehnsüchten kommt wie nicht alle, aber viele andere Kunstrichtungen…