HARALD TAGLINGER
Eine Website ist eine Website ist eine Website
Zwischen verkannter und nicht gekannter Kunst besteht wenigstens ein entscheidender Unterschied. Erstere hatte eine Chance, gesehen zu werden. Eyecatching bleibt auch für Kunst-Websites ein Muss. Aber wie soll das gehen? Ein Beispiel aus dem Jahr 1995 beinhaltete bereits aktuelle Chancen und Versäumnisse.
Als die Kunstgruppe CashYou im Sommer 1995 beschloss, das Projekt “Glaswand – Kauf Dir einen Künstler” in der Akademie-Galerie München auch mit einer Fortsetzung in das World Wide Web zu versehen, war das Internet in Deutschland noch weit von der heutigen Selbstverständlichkeit entfernt. Auch die eigenen HTML-Fähigkeiten konnten getrost als “Null” bezeichnet werden. Der Reiz dieses neuen Mediums krempelte aber das ursprüngliche Konzept entscheidend um. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass diese Aktion sicher nicht Kunstgeschichte geschrieben hat, aber sie hat ohne es zu wollen für aktuelle Projekte Lehrstück-Charakter.
Glaswand – Kauf Dir einen Künstler
Sieben Künstler stellen sich zum Verkauf. Sie sind scheinbar hinter einer schwarzen Glaswand zu finden, die 15 Meter lang im Zwischengeschoss der U-Bahn-Haltestelle Universität zu finden ist. Ein Türspion in einer der Glasscheiben scheint den Blick zu einer Verkaufsfläche freizugeben. Ein Münzeinwurf fordert eine Mark, und soll dann das Licht für zwei Minuten anschalten. Eine Peepshow, ein ironischer Fingerzeig auf das, was als “Kunstgeschäft” schon im Wort ambivalent angelegt ist.
500 Menschen lassen sich zum Obolus überreden und werfen ein. Sie sehen – eine Internet-Adresse. 1500 Menschen lassen sich in den zwei Wochen darauf ein, die ebenfalls auf der Website der Münchener Akademie der Bildenden Künste verlinkten…