Gabriele Marling
Eine Kritik der Kritik
Text aus dem Katalog zur Ausstellung Bilder ohne Bilder’, Bonn, Rheinisches Landesmuseum, 8.12.77 – 8.1.78
Die Ausstellung ‘Bilder ohne Bilder’ wird, das haben vergleichbare Ausstellungen in der Vergangenheit gezeigt, auf Nichtbeachtung oder auf Kritik der sogenannten Kunstkritik stoßen. Teils ehrlich bemüht, teils irritiert bis betroffen reagiert das Publikum. Teils ignorant, teils arrogant, mitunter kleinlich subjektiv und selbstverständlich mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit ihrer Äußerungen reagieren viele, zu viele Kritiker. Erinnert man sich an die Reaktionen auf die Malereiabteilung der documenta 6 in Kassel, die insbesondere die Bilder der Künstler betrafen, die neben anderen auch in dieser Ausstellung vertreten sind, so erinnert man sich an Formulierungen wie: Puristenolympiade, eintönig, öde; da war die Rede von der Langeweile einer ausgebluteten Malerei und von ausgelaugten Meistern; da war von thematisierter Ratlosigkeit die Rede, ja sogar von einer Katastrophe, von unselig mißlungen und von Geschmacksverirrung etc. etc. Was man den Künstlern nicht anlastete oder anlasten wollte, wurde den Ausstellungsleitern angelastet. Man könnte mit dem Dichter, Schriftsteller und Kunstkritiker Roger Allard sagen: ‘Bemerkenswert war die Haltung der Kritik, die aus ihrer bisherigen Reserve herausging und bitterböse und beleidigend wurde.’1 Diese Äußerung stammt allerdings aus dem Jahre 1912 und betraf Reaktionen der Kritiker auf eine Kubismusausstellung. Ihre Aktualität hat Allards Bemerkung offensichtlich bis heute nicht verloren. Da wird – natürlich immer im Namen der Sache, d.h. im Namen der Kunst – wild polemisiert, werden einige Künstler mit poetischen Glorifizierungen bedacht, andere weniger poetisch als Provinzkünstler diskriminiert, und der Kritiker, der dieses tut,…