vorheriger
Artikel
nächster
Artikel
Monografie · von Doris von Drathen · S. 184 - 195
Monografie , 2002

DORIS VON DRATHEN
EIN ORT IM DAZWISCHEN

ZU DEN ARBEITEN VON PAUL WALLACH

An einem Samstagmorgen im Jahr 1994 standen unter anderen Galeriebesuchern zwei junge Künstler vor einem mannshohen Kubus aus wackeligen Spiegelscheiben. Das war eine Arbeit von Pistoletto, die gläsernen Wände mit Seilen zusammengebunden und auf die Dachfläche zwei große Hämmer gelegt hatte. Der Titel hieß: “Constructed: 1988 – Destructed: 1994”. Einer der beiden betrachtenden Künstler war Paul Wallach. Er konnte den Titel nicht verstehen und auch die Gleichgültigkeit der anderen Galeriebesucher nicht. Wallach besprach sich mit seinem Freund, fragte ihn, ob auch er die Verantwortung auf sich nehmen wolle, denn ganz eindeutig, so Wallach, müsse diesem Kunstwerk zu seiner Wahrheit verholfen werden: “Ich spürte das genau, die Arbeit ging mich so stark an, ich dachte, jemand muss vollziehen, was der Künstler gewollt hat, und was niemand ernst nahm.” Die beiden griffen also auf Absprache nach den Hämmern, schwangen sie hoch in die Luft und zerschmetterten den Kubus. “Das war kein Akt von Vandalismus. Wir haben die Dynamik ausgeführt, der Arbeit ihr Leben gegeben. Wir sind dann stehen geblieben, bis der Galerist kam und haben Namen und Adressen hinterlassen. Anscheinend aber war es richtig, was wir getan hatten, denn wir bekamen keine Anzeige, und die Arbeit blieb als Scherbenhaufen und mit dem Titel, der nun stimmte, ausgestellt. Vielleicht war es eine Erleichterung für Pistoletto, dass jemand auf seine Arbeit reagiert hatte.” Die Wahrheit dieser fremden Arbeit vollzogen zu haben, ist für Paul Wallach so wichtig, dass er diese Handlung gleich einer…


Kostenfrei anmelden und weiterlesen:

  • 3 Artikel aus dem Archiv und regelmäßig viele weitere Artikel kostenfrei lesen
  • Den KUNSTFORUM-Newsletter erhalten: Artikelempfehlungen, wöchentlichen Kunstnachrichten, besonderen Angeboten uvm, jederzeit abbestellbar
  • Exklusive Merklisten-Funktion nutzen
  • dauerhaft kostenfrei

von Doris von Drathen

Weitere Artikel dieses/r Autors*in