Erich Kiefer
Ein KI-Verfahren kann genauso ein Werkzeug zur Produktion von Kunstwerken sein wie früher ein Pinsel
Die KI-Forschung setzte bereits in den 50er Jahren mit großen Erwartungen ein. Man glaubte, daß es nun schon bald Systeme geben wird, die der menschlichen Kognition gleichen oder sie gar übertreffen. Solche überschwenglichen Naherwartungen wie etwa beim Fall des “Allgemeinen Problemlösers” haben im Laufe der Zeit einen Dämpfer erlitten, was auch damit zu tun hat, daß die damals einzig verfügbaren von-Neumann-Computer, die linear arbeiten, keine Möglichkeit darstellten, um die Komplexität von Denkvorgängen zu erfassen. Wo setzt denn heute die KI-Forschung an, und welches sind ihre wesentlichen Probleme?
Die Gründergeneration der KI hatte die Komplexität menschlicher Kognition um einige Dimensionen unterschätzt. Geht man beispielsweise von der phylogenetischen Perspektive aus, so ist evident, daß das menschliche Gehirn das Ergebnis eines mehrere Milliarden Jahre dauernden evolutionären Prozesses ist und in diesem Zeitraum evolutionärer Optimierungen eine Vielzahl von Mechanismen akkumuliert hat, die erst in ihrer Gesamtheit Intelligenz ausmachen. Evolution ist ein durch und durch blinder opportunistischer Prozeß, eine Art genialer Flickschusterei. Bewährte Mechanismen werden in diesem Prozeß beibehalten, manchmal werden sie auch umgebaut und dann oft zu etwas ganz anderem genutzt. So haben wir genaugenommen nicht ein Gehirn im Kopf, sondern mehrere. Wir haben auch nicht nur ein visuelles System, sondern mehrere, deren Gesamtfunktion erst das ist, was wir als Sehen bezeichnen. Eines dieser visuellen Systeme stammt beispielsweise aus der Zeit, als unsere biologischen Vorfahren noch Fische waren, und es verarbeitet auch bei uns noch visuelle Information mit…