Ma Liuming
Ein Frauengesicht mit Männerkörper
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Ma Liuming, 1969 in Huangshi, Provinz Hubei, geboren, heute in Peking ansässig, ist Maler und ein Pionier der Performance-Kunst aus dem East Village, der die Nacktheit nicht zum Thema, sondern zum Ausdrucksmittel machte. Da er nicht nur nackt auftrat, sondern zudem auch noch das Mann-Frau-Verständnis erschütterte, sperrte man ihn ins Gefängnis. Mit ihm traf sich Heinz-Norbert Jocks in Peking.
H.-N.J.: Bevor wir über Kunst reden, wüsste ich gerne etwas mehr über deine familiären Verhältnisse.
M.L.: Ich komme aus einer typisch chinesischen Familie. Mein Vater ist Bergarbeiter in einem Kohlewerk, und meine Mutter arbeitet beim Einwohnermeldeamt. Ich habe vier ältere Brüder und eine ältere Schwester. Ich bin also der Jüngste. Ich erinnere mich noch gut daran, dass mein Vater über lange Zeit nicht arbeiten konnte, weil er gesundheitlich dazu nicht in der Lage war. Der Kohlstaub hatte seine Lunge ruiniert, und die Familie litt unter dieser Situation, die noch dadurch verschärft war, dass meine Mutter nicht genug verdiernte. Auch für mich war die Zeit schwer. Wir wohnten in einem Wohngebiet, in dem vorwiegend Bergarbeiter lebten, und ich besuchte eine Schule, in der vor allem die Kinder von Bergarbeitern unterrichtet wurden. Alle waren in dem Sinne gleich, dass alle die gleiche Arbeit taten und alle die gleiche Schule besuchten.
Ich vermute, dass es in einem solchen Umfeld ungewöhnlich war, dass sich jemand für Malerei begeisterte.
Nun war es so, dass unser Vater zwar selbst nicht sehr gebildet war. Er legte aber großen Wert auf unsere Ausbildung. Er…