Dietmar Kamper
Ein Fenster ins Weite
Wir hatten uns in den vergangenen Jahren ein paarmal getroffen, in Berlin, in Frankfurt, in München, in Berlin. Ich war ihm noch nicht recht kenntlich geworden. Er vergaß meinen Namen, verwechselte mich, aber am Ende, bei unserer Veranstaltung am 4.11.1991 über die “neue Einbildungskraft”, gab es eine Verabredung für Robion. Wir wollten über die Frage sprechen, was aus dem menschlichen Körper wird, unter den Bedingungen eines nur noch kalkulierenden Denkens. Anders gefragt: ob man ohne Körper denken könne. Schon einmal, als er eine seiner Elogen auf die Emanzipation der numerischen Codierung aus dem alphabetischen Diskurs unternahm und befriedigt feststellte, daß nun alles, was es gibt, in Datenverarbeitung aufgehe, hatte ich ihn – eher provozierend – gefragt, ob er auch damit einverstanden sei, seine Frau zu digitalisieren. Er widersprach heftig: “Natürlich nicht! Sie muß mir zuhören, wenn ich darüber rede, sonst kann ich nicht sprechen. Pascal sagt nur die halbe Wahrheit über das Verhältnis von Herz und Vernunft. Auch die Vernunft hat ein Herz, das das Herz nicht kennt.”
Bei der ersten Sommerakademie der Abteilung Film und Medien der Akademie der Künste in Berlin (West) hatten wir am Eröffnungsabend einen Disput betreffend meine Thesen über die vier Grenzen des Sehens (vgl. KUNSTFORUM, Bd. 113, S. 113). Er stimmte den beiden ersten ebenso enthusiastisch zu, wie er die beiden letzten rigoros ablehnte. Als wir in der Diskussion über die behauptete Unvereinbarkeit nicht weiterkamen, vertrösteten wir uns auf das folgende Wochenende, an dem eine große öffentliche Podiumsdiskussion über entsprechende…