Martin Schaub
Ein authentischer Augenschein in Osteuropa
100 Fotografen aus Osteuropa
Musée de l’Elysée im Palais Beaulieu, Lausanne, 16.6. – 22.7.1990
Das einzige europäische Fotografiemuseum, das Musée de l’Elysée in Lausanne, feiert dieses Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen auf besondere Art: Es stellt über 2000 Fotos von mehr als hundert Fotografen aus Osteuropa aus. Viele Bilder der Ausstellung sind im Westen noch nie, im Osten erst seit kurzem zu sehen gewesen. Die zur Hauptsache schwarzweißen Fotos, die aus Platzgründen in einer Halle des Ausstellungszentrums Palais de Beaulieu aufgehängt wurden, zeugen von der jüngeren und jüngsten Vergangenheit des Ostens. So ist denn dem Elysée ein kühner Wurf gelungen, die Manifestation einer erfolgreichen “Internationale”, wie sich Konservator Charles-Henri Favrod bei der Eröffnung ausdrückte. Martin Schaub besuchte die Ausstellung der mit und ohne Erlaubnis geschossenen Bilder, die eine oft nur vom Hörensagen bekannte Welt zeigen.
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Museumsdirektor Charles-Henri Favrod und seine Equipe haben das Programm “Fotografie aus Osteuropa” vor ungefähr einem Jahr begonnen. Sie stellten damals knapp zwanzig “Perestroika-Fotografen” aus. Die Ausstellung hat Kreise gezogen: Die Leute vom Museum haben sich weiterreichen lassen, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land; weitere freie Mitarbeiter und Korrespondenten sind dazugestoßen. Einmal mußte der Strich gezogen werden. Über dem Strich sind nun Fotografien aus Lettland, der Ukraine, aus der DDR, Polen, aus der Tschechoslowakei, aus Bulgarien und Rumänien geblieben, die Werke von über hundert Fotografen, die der Westen nicht kennt. Unter dem Strich: der authentische Augenschein in einer Welt, die ihr Image im Westen notfalls mit “Bilderverbot”, mit Schönfärberei und Retouchen…