Jürgen Raap
Ein anderes Klima
Positionen aktueller Kunst aus Wien
Städtische Kunsthalle, 19.2.-4.4.1988
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, 19.2.-4.4.1988
Österreich müsse seine internationale Isolierung überwinden und den Austausch mit seinen Nachbarn verstärken. Mit diesen Forderungen machte sich kürzlich die Wiener “Neue Kronen Zeitung” für den Beitritt der Alpenrepublik zur Europäischen Gemeinschaft stark, und dieses Statement zur Intensivierung der politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten ließe sich ohne weiteres auch auf den Kunstbetrieb an der Donau übertragen.
Denn gerade bei den beiden Rauminstallationen im Zentrum der in Düs- seldorf inszenierten Wetterkarte ist die nachhaltige Wirkung des habsburgischen Barocks und des schnörkeligen Wiener Secessionsstils nicht zu übersehen. Bruno Gironcolis monumentales Werk “Große Mütterliche” (1968/85) präsentiert sich nämlich in opernhafter Pompösität, ehrfurchtheischend ohne direkt erkennbare ironische Brechung. Ein goldener, wulstiger Thronsessel mit Hakenkreuz und Pfeilspitzen; ein maschinenhaftes “goldenes Kalb”, dessen “tyrannische Schönheit” (Gironcoli) ohne Zweifel Glauben zu nähren vermag, “felix Austria” habe seine einstige Macht durch geschickte Heiratspolitik gefestigt und zu einem Reich ausgedehnt, in welchem die Sonne niemals unterging. Man mag Gironcoli zugestehen, daß “Mutter Theresia” ihre Glorifizierung zumindest unfreiwillig erfährt, als beiläufige Thematisierung jener Sehnsüchte, in des wohligen Mutterleib der Aristrokratie zurückschlüpfen zu wollen, wie sie auch heute noch der typische Kaffeehaus-Kellner pflegt, wenn er seine Gäste wenigstens mit “Herr Ingenieur” anredet, wenn kein anderer Titel zur Hand ist. “Das Triebmoment zur Dimension geworden” (Gironcoli): darin steckt sicherlich mehr als nur die plastische Aufarbeitung des verdrängten Sentiment-Ballastes zwischen Radetzky-Marsch und Sigmund Freud, aber Gironcolis Formensprache kann sich den Einflüssen eines überlieferten Urban-Kosmos nicht entziehen. In Wien…