Hermann Pfütze
Eduardo Chillida
»Das Papier wird schwer, das Eisen leicht«
Martin-Gropius-Bau, 11.1. – 24.2.1991
Die Linien, die auf den frühen Zeichnungen von 1948 sich fügen zu einem Rückenakt (der von Matisse sein könnte) oder zu einer Pflanze, emanzipieren sich im Lauf der Jahre vom Thema. Sie zeichnen nicht mehr etwas, sondern sind parataktische Striche, lesbar je für sich und in beliebiger Richtung und Reihenfolge. Die Zeichnungen der 50er Jahre kann man lesen, aber nicht interpretieren; sie gefallen – oder auch nicht, aber sie sagen nichts. Es sind konzeptuelle Studien, ähnlich Varèses “Jonisations”, die auch Schluß gemacht haben mit der Komposition um einen Grundton herum. Chillidas Zeichnungen der 60er Jahre gewinnen allerdings Fülle und Schwere, die Linien werden breiter und körperlicher. Schwarze Tinte oder Tusche mit dem Pinsel aufgetragen, sind es immer noch Blätter “ohne Titel”, aber schon “Formen”.
Die größeren Blätter der letzten Jahre heißen “Gravitación”. Die schwarzen Stücke darauf sind so schwer, daß ein Blatt sie nicht trägt. Zwei Büttenbögen sind übereinandergeheftet, der hintere trägt die durch scharfe Einschnitte und versetzte Ausschnitte erzeugten Positiv- und Negativformen des vorderen Bogens, dessen schwarze Stücke herauszufallen scheinen und sich immer wieder fangen – manchmal gerade noch an der unteren Blattkante. Diese Blätter oder Collagen haben schon ein wenig vom Innenraum der Skulpturen und Plastiken Chillidas. Er interessiert sich nicht für den Außenraum, sondern für den Innenraum der Formen; den “Raum, den die Formen erschaffen, der in ihnen lebt und der um so wirksamer ist, je mehr er im Verborgenen wirkt” (Katalog, S. 118).
Die tonnenschweren…