Jürgen Raap
Eduard Stejnberg
Galerie Alex Lachmann, Köln, 16.11.1990 – 31.1.1991
Ein Stipendienaufenthalt ermöglichte es dem Moskauer Künstler Eduard Stejnberg, im Sommer und Herbst 1989 im Starnberger Raum den Spuren der “Blauen Reiter”-Gruppe nachzuforschen, vor allem der Bedeutung seiner Landsleute Kandinsky und Jawlenskij für den deutsch-russischen Kunsttransfer in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als vor allem Kandinsky enge Kontakte zu den Petersburger Künstlern unterhielt. Stejnbergs Bekenntnis zur Avantgarde schließt auch eine intensive Beschäftigung mit den Suprematisten ein; er löst Kompositionen in schräggestellte Quadrate auf oder ordnet Kreise auf Diagonallinien nach dem Prinzip des gestaltpsychologischen Schwerpunktes an. Collageelemente aus farbigem Karton oder Ziffern von Kalenderblättern vervollständigen das Formgefüge in den Arbeiten auf Papier. Hier vermag er auch flächig angelegten Gouachen durch Abdeckung mit Transparentpapier an einigen Stellen, gar durch Überlagerung von zwei oder drei durchsichtigen Papierschichten, die den farbigen Untergrund durchscheinen lassen, eine nahezu dreidimensionale Wirkung zu verleihen.
Stejnberg berichtet, daß seine Generation in der Chruschtschow-Ära um 1960 erstmals Informationen über die Kunstentwicklung in der Moderne erhielt. Er beschränkt sein Repertoire freilich nicht auf die formale, auf die Flächen fixierte Abstraktion: Im Bild “Dezember 1989” setzt er sehr deutlich auch Mittel der Raumillusion ein, indem sich durch ein Loch in einem blauen Dreieck eine braune Stange schiebt. Andere Arbeiten enthalten in stilisierter Weise bzw. Umrißzeichnungen auch Momente einer realistischen Ikonologie, Köpfe, Fische, ein Laubblatt oder einen Hahn. Dabei werden konkrete Anlässe, Personen oder Landschaftserlebnisse symbolisch verschlüsselt: Der Wetterhahn auf bayerischen Kirchtürmen verweist bei Stejnberg auf den biblischen Verrat (“Wenn der Hahn dreimal kräht…”),…