Annelie Pohlen
Guy Ben-Ner – Insel oder Ikea
“How art can be at the service of life?”
Im Frühjahr 2011 zeigt Guy Ben-Ner ein neues Video. Auslöser für “Spies” ist ein Logo mit Wurzeln im Alten Testament, genauer in jener Geschichte, da Moses von Gott den Auftrag erhält, das Land Kanaan zu erkunden. Aus jedem Stamm der Israeliten macht sich ein Mann auf den Weg. Zwei der zwölf Späher kehren mit Trauben zurück – und bestätigen, dass im verheißenen Land Milch und Honig fließen.1 Das Englische kennt für Späher und Spion nur ein Wort: spy. Das Video erzählt nun nicht die Geschichte aus Moses nach. Nein, es gibt faktisch nur einen Brückenschlag: Dem israelischen Tourismusministerium dienen die zwei Traubenträger als Logo – und Ben-Ner ebendieses Logo als Einstieg in Reflexionen über die nie endende Reise auf der Suche nach den Ursprüngen großer Visionen von Kunst und Leben.
Immerhin, die Spur ist ausgelegt und die so verewigten Späher sind auch in ihrer extrem abstrahierten Form angetan, Ben-Ners künstlerische Aneignung von Mythen, historischen Dramen und Erzählungen, die im kollektiven Gedächtnis abgelagert sind, für ein Rollenspiel in der alltäglichen Wirklichkeit und im Film wahlweise im rewind und fast forward-Modus aufzurollen. Mit bisweilen verstörender Offenheit jongliert der in Tel Aviv lebende Künstler als Autor und Akteur in einer verwickelten sozialen Existenz mit jenen legendären Alter Egos, deren Reisen ein irgendwie anderes, vielleicht gar Sinn stiftendes Projekt von Kunst und Leben verheißt, dabei nicht verhehlend, dass diese ob ihres Verführungspotentials längst der Vermarktung in allen vom banalen Alltag…