Zeichnen zur Zeit
Eine Serie in mehreren Folgen. Teil V, vorgestellt von Reinhard Ermen
Zeichnen zur Zeit I erschien in KUNSTFORUM Bd.196 mit 10 Grundsatzessays und der ersten Folge von 10 Einzelporträts, Zeichnen zur Zeit II: Band 198, Zeichnen zur Zeit III: Band 200, Zeichnen zur Zeit IV: Band 208.
Zeichnungen finden sich überall, man muss nur die Augen aufhalten. Sie liegen auf der Straße, Schulkinder haben sie verloren oder einfach weggeworfen, sie sind zertreten, verwischt und nass geregnet, aber irgendwie sind sie unverwüstlich. Der Diskurs über den aristokratischen Anspruch der Gattung beginnt bereits auf der Straße. Wohlgemerkt es geht um Originale. Der Sammler muss nur die Augen aufhalten, dann findet er sie neben den Telefonen, auf unaufgeräumten Schreibtischen, auf dem Flur, sie fallen einem beim Aufräumen in die Hände oder sie liegen mit einem Mal im Briefkasten. Die Zeichnungen laufen den Sehenden zu, sie müssen nur bereit sein sich zu bücken. Wer es nicht glaubt, setze die Brille auf und gebe sich liberal, wenn es darum geht, etwas im Sinne der Gattung zu erkennen. Nicht erst solche Fundstücke belegen den schönen Allgemeinplatz, der auch hier schon mit Nachdruck ausdiskutiert wurde, dass nämlich (vorsichtig gesagt) viele zeichnen. Es geht darum etwas festzuhalten; das ist ein Lebensbedürfnis, das zum Ausdruck kommt, es geht auch darum, etwas auf den Punkt zu bringen, es zu vereinfachen oder ganz schlicht und einfach zu konzentrieren. Wer das nicht kann, ist arm dran.
Auch der Kurator muss die Augen aufhalten, sonst verhungert die Ausstellung, denn in gewisser Weise ist „Zeichnen…