Sigrid Feeser
Edgard Varèse
»Komponist, Klangforscher, Visionär«
Museum Tinguely, Basel, 28.4. – 27.8.2006
Einen Notenständer von Alexander Calder hätte wohl jeder gerne bei sich zu Hause. Obwohl er mit seinen durchhängenden Bindfäden und Drähten ziemlich gebastelt aussieht. Die für die extrabreiten Partituren von Edgard Varèse (1883 – 1965) geschaffene Kuriosität ist nicht das einzige Geschenk des Bildhauers an den befreundeten franko-amerikanischen Komponisten. Eine kleine Kollektion von Calder-Zeichnungen, Tierplastiken, einem blechernen Hampelmann und einem aus Draht gebogenen Porträtkopf gehört er zu den Highlights der überbordend reichhaltigen Ausstellung, mit der die Paul Sacher Stiftung Basel und das Museum Tinguely die glanzvolle Auferstehung des musikalischen Einzelgängers feiern. Sie speist sich zum großen Teil aus dem vor drei Jahren von der Stiftung angekauften und noch nie öffentlich gezeigten Nachlass; aktueller Anlass ist das zehnjährige Bestehen des vom Pharmakonzern Roche finanzierten Museums und der 100. Geburtstag des Dirigenten, Musikmäzens und milliardenschweren Roche-Mehrheitsaktionärs Paul Sacher, dem die Musikwelt die wohl bedeutendste Sammlung von Komponistennachlässen des 20.Jahrhunderts verdankt.
Von diesen geldwerten Verbandelungen abgesehen gibt es zwischen Varèse und Tinguely durchaus einige Gemeinsamkeiten. Etwa in beider Interesse an Naturwissenschaft und Technik, in der Sensibilität für die gesellschaftlichen Umwälzungen der Industriegesellschaft, dem nüchternen Selbstbild als Künstler – und nicht zuletzt in der Freude am Klang von Schlaginstrumenten, das sich in einigen parallel gezeigten Geräuschplastiken des Bildhauers lustvoll scheppernd Bahn bricht. Trotz einer gewaltigen Masse von Sekundärliteratur gibt Varèse immer noch Rätsel auf, und das hat nicht nur mit seinem schwierigen, zu Mystifikationen und cholerischen Ausbrüchen neigendem Temperament zu tun….