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Ausstellungen: Siegen/Bergheim · von Jürgen Raap · S. 351 - 351
Ausstellungen: Siegen/Bergheim , 1991

Jürgen Raap
Eberhard Stroot

»Stahl und Bewegung«
Kunstverein Siegen/Siegerlandhalle, 26.5. – 31.8.1991

Stadtraum Bergheim/Erft, 6.9. – 27.11.1991

Richard Serras Skulpturen aus monumentalen Metallplatten wirken im Straßenraum oft als Moment des Versperrens und Verfremdens einer örtlichen Situation; sie scheinen in präziser Kalkulation als “Gegenakzent” gemeint zu sein. Eberhard Stroot hingegen plaziert seine acht Skulpturen im Park vor der Siegener Stadthalle und in der Fußgängerzone von Bergheim/Rheinland als optischen Ruhepol innerhalb bestimmter funktionaler Bewegungsabläufe im öffentlichen Stadtraum. Beide Plätze markieren nicht gerade stadtplanerische Glanzleistungen, und die Ortsbezogenheit der Installation ergibt sich auch nicht aus Eingriffen in hochbauamtliche Tektonie, sondern aus regionalgeschichtlichen Verweisen auf die montanindustrielle Prägung der beiden Städte im siegerländischen Hütten- und im rheinischen Braunkohlerevier. Simplen Populismus darf man Stroot und den Förderern des Projekts damit allerdings nicht unterstellen.

Die Themenstellung “Stahl und Bewegung” rekurriert auf zwei Begriffe, die zunächst einmal nicht miteinander zu vereinbaren wären, assoziiert man doch bei Metallplastiken in erster Linie “Statik” und “Schwere” bzw. “Festigkeit”. Stroot, dessen frühere Sportlerkarriere in der Teilnahme an den Olympischen Spielen gipfelte, hat gestoppte bzw. geronnene Bewegungsabläufe aus dem tänzerisch-choreographischen und dem athletischen Bereich plastisch eingefangen: Laufen, Springen, Werfen, Drehen, Schwingen. Eine der Arbeiten enthält auch ein kinetisches Teil, eine andere verdeutlicht die Flick-Flack-Dynamik in weit gedehntem Zeitlupentempo; eine Bodenplatte wölbt sich zu einer Schanze, auf der ein Schraubstockwagen steht, und es bedürfte wohl nur eines geringen Anstoßes, diesen in Bewegung zu versetzen wie einen Schlitten auf der Rodel- oder Bobbahn. Physisches mischt sich mit Physikalischem; wo Bewegung verharrt, geschieht dies immer in Schwerpunktlage.

Scheinbarer Eleganz und Leichtigkeit liegt meistens ein immenser Kraftaufwand zugrunde, was der Zuschauer jedoch höchstens ahnt und der Punktrichter als selbstverständlich voraussetzt. In den figurativ angelegten Skulpturen tauchen gestreckte und gespreizte Gliedmaßen als durchgängiges Motiv auf. Negativformen, die als “Löcher” statt Rundansichtigkeit Durchblick gewähren, oder schmale Rahmen, die einen Komplex umspannen mit Einzelformen, die nur wenige Berührungspunkte miteinander haben, sind weitere formale Mittel zum Aufbrechen von Kompaktheit. So erzielt Stroot mitunter gar den verblüffenden Eindruck von Filigranem und Zerbrechlichem.

Die acht Skulpturen verdichten sich im installativen Arrangement zur Illusion einer Arena, wobei die Formensprache unterschiedliche Abstraktionsgrade aufweist. An Reststücken aus der Gießerei werden figurative Umdeutungen vorgenommen, so bilden trapezförmige Platten den Rumpf, ein Metallring den Kopf, Trägerteile mit Querstreben die Beine. Waggonpuffer werden zu weiblichen Brüsten, in anderen Fällen haben stempel-, schlüssel- oder gabelhafte Formen einen eher zeichenhaften Charakter. In der Formreduktion, die im Abbild nur noch bedingt Wiedererkennen des real-ikonischen “Vor-Bildes” zuläßt, bewegt sich Stroot auf verschiedenen semiotischen Ebenen bis hin zur radikalen Abstraktion und reinen Symbolik. Seine Bildsprache rekurriert auf die klassische Moderne, hier und da fühlt sich der Betrachter auch an Skulpturen von Picasso oder Max Ernst erinnert. Luginbühl oder Tinguely haben in der plastischen Verwertung von Schrott wiederum völlig andere Wege eingeschlagen. Mit letzteren teilt Stroot allerdings die Vorliebe für die Bedeutungs- und Funktionsverschiebung bei vorgefundenen Teilen aus der Industrieproduktion wie Motorblöcken oder Karosserierahmen. Deren tatsächliche Herkunft wird völlig negiert, es scheint sich beim plastischen Ausgangsmaterial auf den ersten Blick nicht um Ausschuß, sondern um Spezialanfertigungen zu handeln.

Tatsächlich beruht Stroots Fundus auf angefrästen Plattenresten, ausrangierten Schraubstöcken und Pipelineschiebern, die nicht in einer Ateliersituation, sondern von ihm selbst in einer Gießerei zusammen mit Btriebsangehörigen verschweißt und montiert wurden. Dieser völlig andere Entstehungsprozeß im Vergleich zum klassischen Bronzeguß oder bei Auftragsarbeiten mit räumlicher Trennung und arbeitsteiligem Vorgehen vom Entwurf bis zum Endprodukt war und ist für Stroot auch Anlaß zur Reflexion über die Rolle des Künstlers innerhalb industrieller Verfahrenstechnik.

Zur Ausstellung ist ein Katalog zum Preis von 29 DM erschienen.