TILMAN BAUMGÄRTEL
e-JIHAD UND CYBER-SELBSTMORDATTENTATE
KOSOVO UND IRAK: INTERNETAKTIVISMUS UND NETZKUNST IN ZWEI MILITÄRISCHEN KONFLIKTEN
Hunderttausende gingen im Februar und März diesen Jahres an Internet-Adressen des Weißen Hauses und des Pentagon. Friedensaktivisten in der ganzen Welt bombardierten die Mailboxen in der US-Administration mit Anti-Kriegsparolen, Appellen und Friedensbotschaften. Zeitgleich mit den weltweiten Demonstrationen gegen einen Angriff auf den Irak vermehrten sich auch die Zugriffe auf die Internet-Sites von strategisch wichtigen US-amerikanischen Regierungsinstitutionen.
Zur selben Zeit häuften sich in den amerikanischen Medien Berichte über mögliche Attacken auf die technische Kommunikations-Infrastruktur und die Internet-Server in den USA im Fall eines Krieges gegen den Irak. Unter Überschriften wie “Warning on Iraqi Hackers and U.S. Safety” (New York Times, 16. Januar 2003) berichteten amerikanische Zeitungen Anfang diesen Jahres über FBI-Dossiers, in denen vor verstärkten Online-Angriffen auf amerikanische Ziele gewarnt wird: “Geheimdienstmitarbeiter sind besorgt, weil die elektronischen Angriffe auf Regierungs- und Militärcomputernetzwerke in den USA zugenommen haben und weil sie das Werk von Pro-Irak-Hackern zu seien scheinen. Das könnte eine potentielle Krise der nationalen Sicherheit bedeuten”, hieß es in der New York Times, und zahlreiche andere Medien verbreiteten die Story weiter – auch in Deutschland. Die Angriffe seien zwar noch relativ beschränkt, könnten aber in dem Maße ansteigen, wie die Spannungen zwischen USA und Irak zunehmen, hieß es in den Berichten.
Derartige Dossiers und Warnungen gehören nun schon seit fast einem Jahrzehnt zum Vorprogramm der meisten militärischen Auseinandersetzungen, zumal bei solchen, in die die USA verwickelt sind. Auch die Beschwörung von “Cyberkriegen” und “Internet-Attacken” durch feindliche Regime oder extremistische Hacker…