Michael Hübl
Dufthauch des Ungewissen
»Big Nothing – Höhere Wesen, der blinde Fleck und das Erhabene in der zeitgenössischen Kunst«
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 27.1. – 18.3.2001
Jede Epoche, jede Generation hat ihre eigene Vorstellung vom Nichts. Für die Avantgarde am Beginn des 20. Jahrhunderts bedeutete es Aufbruch, Befreiung, Ursprung des radikal Neuen. “Wir wollen die Welt mit Nichts ändern, wir wollen die Dichtung und die Malerei mit Nichts ändern und wir wollen den Krieg mit Nichts zu Ende bringen”1, erklärte Richard Huelsenbeck 1916 in Zürich, drei Jahre, nachdem Kasimir Malewitsch die Kunst mit dem Pathos eines Weltenschöpfers an einen Nullpunkt geführt hatte, der zum “Keim aller Möglichkeiten”2 werden sollte. Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre war man wieder bei Null angelangt, mit Zero in Deutschland, Nul in den Niederlanden. Daneben gab es die nüchtern-sachliche Haltung der Konkreten Kunst, wie sie Helmut Heißenbüttel auf den Punkt brachte: “Etwas startet bei NULL und passiert HIER und braucht ZEIT und passiert DORT”3.
Walter de Maria hat dann auf der documenta 6 (1977) die Kunst nicht mehr gegen Null geführt, sondern auf exakt 1000 Meter bemessen. Nur ist von seinem “Vertikalen Erdkilometer” nicht mehr zu sehen als ein kreisrundes Stück Bronze im Kasseler Friedrichsplatz. Und jetzt in Baden-Baden: “Big Nothing”. Das Thema ist geblieben, teilweise sind auch die Altmeister mit kleinen Belegstücken vertreten, Andeutungen ihrer historischen Rolle. Aber der Tenor hat sich geändert. Man merkt sofort, dass jetzt das Zeitalter von BSE und Dr. Hannibal Lecter angebrochen ist, dem allemal kunstsinnigen Zeremonienmeister cerebraler Haute cuisine. Auf den…