Monika Wagner
Duell mit van Gogh
Van Goghs Einfluß auf Maler seiner eigenen Zeit wie der nachfolgenden Künstlergeneration scheint gewaltig: von Gauguin bis Mondrian, von Paula Modersohn-Becker über Picasso, Nolde, Kokoschka bis zu Soutine und Dix, wie die jüngste Ausstellung des Essener Folkwangmuseums ausgiebig demonstriert. Doch läßt sich – außer bei den seltenen Motivübernahmen – schwer bestimmen, in welchen Fällen es sich tatsächlich um direkte Auseinander- setzungen, Einflüsse und Übernahmen handelt und in welchen Fällen andere Künstler parallel zu van Gogh an ähnlichen Problemen arbeiteten. Denn van Goghs künstlerische Bedeutung erweist sich gerade darin, daß er Probleme der Moderne, an denen schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gearbeitet wurde, in wenigen Jahren derart zuspitzte, daß sie sich wie in einem Brennspiegel verdichteten. Dies betraf vor allem die Farbe, die von ihrer gegenständlichen Bindung befreit wurde und statt dessen subjektive Bedeutungen annehmen konnte, aber auch die sichtbare Bearbeitung der Farbmaterie, die sich damit ebenfalls von der Unterordnung unter den Gegenstand emanzipierte.
Wenn sich Künstler jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg auf van Gogh beziehen, ist ihre Ausgangs-position eine andere: Van Gogh war inzwischen – neben Cézanne, Gauguin und Seurat – längst zu einem der Gründungsväter der Moderne bzw. der abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts avanciert, der in keiner Kunstgeschichtsschreibung fehlte1, der zwar als Ausgangspunkt taugte, aber durch die ungegenständliche Malerei überwunden schien. Mit dem abstrakten Expressionismus eröffneten sich zwar neue Blickwechsel mit van Gogh, doch ließ sich an dessen Position kaum ohne weiteres anknüpfen. Mit van Gogh – und vielleicht mit den…