Andreas Denk
»Als Objekt theoretischer Auseinandersetzung hat Duchamp {…} eine Spitzenposition in der Kunst des 20. Jahrhunderts inne, und die Anzahl der Veröffentlichungen über ihn hat die Zahl seiner Arbeiten längst überschrittten, was vielleicht als Kriterium endgültiger Historifizierung gelten kann«, schreibt Dieter Daniels in seinem neuen Buch.Daniels, inzwischen am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, legt mit dem vor kurzem erschienenen Band seine Dissertation vor, die im Anschluß an seine Ausstellung im Kölner Museum Ludwig (»Übrigens sterben immer die anderen«. Marcel Duchamp und die Avantgarde seit 1950, 1988) statt einer »praktischen« eine theoretische Rezeptionsgeschichte Duchamps verfolgt. Seine Fragestellung zielt auf die Entstehungsbedingungen des »späten Ruhms eines lange verkannten Künstlers«. Einer (annäherungsweisen) Antwort kommt er auf drei verschiedene methodische Weisen entgegen.Der erste und umfangreichste Teil der angenehm »undissertativ« gegliederten Arbeit leistet eine »chronologische Annäherung«, die eine auf dem besten Stand der jeweiligen Quellenlage entsprechend präzise Übersicht über Leben und Werk des Franzosen gibt. Diese konzise Biographie hat Daniels auf lesenswerte Art mit der Erörterung der jeweiligen zeitgenössischen Rezeption Duchamps verknüpft. Überhaupt ist es dem Autor geglückt, über alle Teile des Buches eine gleichmäßig präzise und dennoch nicht abgehobene Sprache zu finden, die viele andere Duchamp-Forscher in der Notdurft, die so mancher auch geistige Höhenflug verursachen kann, verloren haben.Dabei erfährt der Leser durchaus Überraschendes, so zum Beipiel, daß bis in die 20er Jahre lediglich sechs Arbeiten Duchamps (jeweils von Apollinaire) publiziert waren. Lediglich die Präsentation der »Nu descendant un escalier« auf der »International Exhibition of Modern Art« in New York, Boston und…