Barbara Foerster
Duchamp der bessere Mathematiker?
Methods of understanding in Art and Science:
The case of Duchamp and Poincaré
Ein interdisziplinärer, interkontinentaler Blick auf die Methodik und den Gegenstand von Kunst und Wissenschaft – so lautete das Programm des Symposiums in Harvard (Boston) Anfang November 1999. Eine Gruppe renommierter Naturwissenschaftler, Kunsthis toriker und -theoretiker aus Europa sowie Amerika schenkten ihre Aufmerksamkeit zwei als Erneuerer verstandenen Geistern: Marcel Duchamp und Henrí Poincaré. Mit dem Vergleich der mathematisch-physikalischen Theorie Poincarés und der Kunst Duchamps wählte das New Yorker Organisatorenpaar – die Du champ-begeisterte Künstlerin Rhonda Sherer und der Wissenschaftshistoriker Stephen Jay Gould – einen bereits häufig bearbeiteten Gegenstand: Seit den Achtzigerjahren haben europäische und amerikanische Kunsthistoriker die Auseinandersetzung Duchamps mit den Theorien Poincarés untersucht.
So lieferten weder die Vorträge zur nicht-euklidischen Geometrie und Topologie noch die Ausführungen über die methodische Schnittmenge der beiden Modernisten – Intuition und Zufall im kreativen Akt – neue Erkenntnisse. Ungewohnte Perspektiven eröffneten eher diejenigen, die in ihren Ausführungen das Thema lediglich streiften: Bonnie Clearwater sprach über Duchamp und Frank Stella, Hans de Wolf über eine bisher unbekannte Postkarte Duchamps, u.a. Trotz heterogener Ansätze wurde jedoch deutlich, dass in diesen drei Tagen von einem interdisziplinären Austausch nicht die Rede sein konnte. Stattdessen herrschte eher ein Nebeneinander der Disziplinen vor; auch wenn sich Rhonda Sherer mit ihrer in der Presse viel besprochenen Theorie über die Ready mades der Aufmerksamkeit aller sicher sein konnte.
Sherer versuchte zu beweisen, dass die nicht mehr erhaltenen, originalen Ready mades keine von Du champ ausgewählten, unveränderten Massenprodukte darstellten,…