Uta M. Reindl
Drawing
»The Bottom Line«
S.M.A.K. Museum for Contemporary Art, Gent, 10.10.2015 – 31.1.2016
Die Zeichnung hat offenbar Konjunktur in der mitteleuropäischen Ausstellungslandschaft: In Nürnberg gab es bis Anfang Oktober im Neuen Museum für Kunst und Design spartenübergreifende, vor allem aktuelle Spielarten der Zeichnung anlässlich des nun zum zweiten Mal verliehenen Internationalen Faber-Castell Preises. Zeitgleich endete „Drawing Now: 2015“ im Albertina in Wien – ein Überblick von Zeichnung heute, vierzig Jahre nach der legendären „Drawing Now“ im New Yorker MoMa 1976. Und nun hat das S.M.A.K. in Gent zum Saisonauftakt eine Bestandsaufnahme des linearen Genres eröffnet: Eine nicht-akademische, betonen die beiden Kuratoren Philippe Van Cauteren und Martin Germann, mit 53 zeichnerischen Positionen von Künstlern verschiedener Generationen, darunter zahlreiche, die Zeichnung nicht in erster Linie als künstlerisches Medium nutzen.
Gleich im Eingangsbereich spiegelt der in Berlin lebende Julian Göthe (geb.1966) mit seinem wandgreifenden Netzwerk aus geometrisch verknüpften Kordeln die Struktur der Ausstellung „Drawing. The Bottom Line“, wobei der letzte Teil des Titels mit „Fazit“ übersetzbar ist und in diesem quintessenziellen Sinne so quasi einen „Archipel aus verschiedenen Inseln“ repräsentiert, so Martin Germann.
Die Reise durch diesen „Archipel“ eröffnet sodann „The house of opportunity (the chance of a lifetime)“, eine kleine Arbeit des Belgiers Michaël Borremans (geb. 1963) – dem Titel gemäß – fast schon programmatisch. Danach wird es politisch, wenn der Schweizer Marc Bauer (geb.1975) in seiner großflächigen Kohlezeichnung an der Wand die kulturelle Tragödie unter anderem in der syrischen Stadt Palmyra versinnbildlicht. Die US-Amerikanerin Andrea Bowers (geb.1965) präsentiert photorealitisch gezeichnete Fragmente aus…