Antje von Graevenitz
Dorothee von Windheim
Die Gegenstände unserer Umwelt sind unwirklich, wirklich ist nur unsere Beziehung zu ihnen.
Willi Baumeister
Serge Poliakoffs Warnung, man müsse aufpassen, daß die Wand selbst nicht schöner sei als das Bild, kann auch für Verputzbilder von Dorothee von Windheim gelten. Ihre Fundstücke: gealterter Wandverputz, der von ihr mit Hilfe einer umständlichen Restaurationstechnik gerettet wurde, gelten gemeinhin als ‘häßlich’, ‘schön’ dagegen saubere, gepflegte Wände in Galerien und Museen. Ein neuer Blickwinkel und ein neuer Kontext machten es jedoch seit jeher möglich, daß sich die Bewertungen für die Dinge umkehren.
Den Dualismus von Bild und Wand abzuschwächen, war nicht nur eine Sache der barocken Deckenmalerei, sondern diese Problemstellung ist auch für die Kunst des 20. Jahrhunderts typisch. Willi Baumeister arbeitete Bildreliefs in den frischen Verputz hinein und nannte sie 1919/20 ‘Mauerbilder’. Maurice Denis’ berühmt gewordene Ausspruch, ein Bild sei in erster Linie eine glatte Oberfläche, die mit Farben bedeckt sei, wirkte weit in das 20. Jahrhundert hinein. Surrealisten und Konstruktivisten der 20er Jahre setzten sich in ihren Werken mit dieser These auseinander und suchten bildhafte Raumillusionen zu vermindern oder zumindest so zu formulieren, daß die Bildfläche doppelt interpretierbar blieb: als Fläche oder als Raum. Der Pole Wladyslaw Streminsky fand in seinen ‘unistischen’ Bildern um 1930 eine simple Gleichung für die Deckung von Fläche und Darstellung: er legte jeweils ein Netz aus Fäden über die Bildfläche. Und weiter ging’s über die amerikanische Malerei des Colourfield-Painting, über das europäische Informel und die monochromen Malereibewegungen der endenden fünfziger Jahre und ihrer Hochzeit…