Markus Brüderlin
Donald Judd
Kunsthalle, 27.8.-15.10.1989
Frage,was dominiert was? – oder was befruchtet was? Gegenüber Flavins lichtkompositorischen Maßnahmen, die sich notwendig in die vorhandene Raumstruktur integriert, diese aber gleichzeitig verwandelt oder gar illusionär aufgelöst hatten, wirkten die abgestellten Aluminiumboxen von Judd wie selbständige in sich ruhende Einheiten. Über die Ambivalenz von Geschlossenheit und Offenheit entstand aber mit der Umgebung ein vielstimmiges Wechselspiel von Raumverschachtelungen, in die der Betrachter wie eine wandelnde Sonde eingespannt wurde. Der Ausstellung fehlte die Bedeutungsträchtigkeit und Opulenz eines symbiotischen Gesamtkunstwerkes, wie etwa in Gerhard Merz’ Inszenierung “Salve” vor zwei Jahren. Die radikal durchgehaltene Bestückung der Schauräume mit insgesamt zwölf immer gleich großen, in der Grundfläche 2 mal 2 Meter und der Höhe einen Meter messenden Aluminiumboxen erzeugten dennoch eine Schlüssigkeit und Selbstverständlichkeit, die der Besucher am Schluß als bestimmenden Gesamteindruck mitnahm. Vielleicht suggerierte es der neoklassizistische Bau von 1909 – aber die Baden-Badener Installation von Donald Judd strahlte die Ruhe und Gewißheit von zeitloser Klassizität aus, die den Eindruck erweckte, als hätte hier nicht nur die skulpturale Konzeption eines Künstlers, sondern die Minimal-art allgemein ihre Erfüllung gefunden. Diese Wahrnehmung mag man zunächst als Signal für den Übertritt einer einstmals so schwierigen Aktualitätskunst in den ewigen Status eines allgemeingültigen Stils interpretieren. Die Perfektion und Simplizität der Konstruktion, die anonyme Ordnungsmacht der klaren, überschaubaren Anordnung, die technoide Materialität, all diese Elemente – verbinden sie sich nicht zu einem postindustriellen Klassizismus der Moderne, der wie alle Klassizismen dann sich reif ausformuliert, wenn die Zusammenhänge, in denen seine Formen entstanden sind -…