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Ausstellungen: Köln · von Jürgen Raap · S. 372 - 372
Ausstellungen: Köln , 1992

Jürgen Raap
Dmitrij Prigow

»Berichte über das heilige Rußland«
Galerie Krings-Ernst, Köln, 15.11.1991 – 18.1.1992

Der Moskauer Maler und Poet Dmitrij Prigow zählt neben Kabakov und Bulatov zu den wichtigsten Vertretern der “Soz-Art”-Richtung. Die Gedichte, Dramen und Mini-Dramen des gelernten Bildhauers fanden ihr Publikum zunächst durch Samisdat-Ausgaben, bis das Perestroika-Tauwetter Prigow auch Zugang zum offiziellen Kulturbetrieb erlaubte. Seine Position innerhalb der Moskauer Neo-Avantgardisten scheint formal durch interdisziplinäre Experimente mit Bild-Text-Relationen markiert zu sein, inhaltlich durch krasse Ideologiekritik in Verbindung mit Metaphysischem. Er übermalt Texte mit Gorbatschow-Reden mit typografischen Elementen und “Prawda”-Seiten mit stilisierter Rankenornamentik, und er lotet Beziehungen zu einer jahrzehntelang unterbrochenen kunsthistorischen Tradition aus, wenn er z.B. den Topos des “Bestiariums” mit phantastischen Fabelwesen in der spätmittelalterlichen und manieristischen Grafik in seinen Arbeiten aufgreift. Daraus entwickelt er einerseits eine Symbolsprache mit Zitaten aus christlich-byzantinischer und auch aus hinduistischer Mythologie, andererseits politische Kunst. Worte wie “Glasnost” und “Stalin Koschmar” (Stalin Alptraum) sind in kyrillischer und lateinischer Schrift plakativ in diese Übermalungen eingestreut, und in den überarbeiteten Zeitungsseiten wie in den Handzeichnungen taucht quasi als roter Faden immer wieder das Motiv des Auges auf: Es symbolisiert Gott und zugleich den Überwachungsstaat. In Prigows Text “Sowjetmythologie” heißt es gallig – als Reflex auf die realen Zustände, in denen nichts so funktioniert, wie es funktionieren sollte: “Und sie hatten drei Söhne. Der erste wurde Bauer, der zweite Arbeiter. Der dritte – Soldat. Die Söhne wachsen heran, und immer mehr Lebensmittel gibt dem Lande der erste Sohn, immer mehr Waren gibt dem Lande der zweite Sohn,…



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