Harry Zellweger
Diskreter Sammler
Alles an dieser Ausstellung ist diskret: der Titel und Untertitel, der »ausgewählte Werke aus einer Privatsammlung« ankündigt – von Cy Twombly bis Francesco Clémente; der Katalog, 150 Seiten stark, der sie begleitet und dessen Einband von mattem gelb zu zartem Gold hinüberschwingt: die einführenden Texte von Jean-Christophe Ammann, Konservator der Kunsthalle und R. H., Kritiker der »Neuen Zürcher Zeitung«, die beide ehrfürchtig vor der einmaligen Leistung dieses Sammlers zurücktreten und beredt in seinen Werken sein Werk beschwören; schließlich die Sammlung selbst, welche die bedeutendsten Werke der bedeutendsten Künstler der letzten Jahrzehnte vereinigt: Weit mehr als die rund einhundert Gemälde und zwei Skulpturen, die zur Zeit am Spalenberg zu sehen sind, zusammengetragen in fünfzehnjähriger Sammlertätigkeit von einem Sechsunddreißigjährigen, den man zwar kennt, aber der seinen Namen nicht nennen will. Am diskretesten jedoch sind die beiden Wächter, denn sie machen jedermann sofort bewußt, daß es sich hier um außerordentliche Werte handelt – nicht nur im materiellen, sondern auch im geistigen Sinn; um Dinge, die behütet werden müssen, weil sie selten, kostbar, verletzlich und verletzend sind, denen man sich deshalb unbefugt nicht nähern darf; um heilige Dinge also.
Unwillkürlich fallen mir Kafkas Türhüter ein.
Aber auch die Frage, was diesen jungen Mann wohl bewogen haben mag, solch ungeheuere Schätze zusammenzutragen. War es pure, übermächtige Leidenschaft, die ihn dazu trieb, über alles menschlich Begrenzte hinauszustreben, oder lediglich kühl berechnende Intelligenz – verbunden mit einem guten Spürsinn, hohem Qualitätsbewußtsein und einer gewissen Cleverness, die es verstand günstige Konstellationen auszunützen und sich Marktvorteile zu sichern?…