Richard Hoppe-Sailer
Ding und Form
Thesen zur Neubestimmung einer Radikalen Malerei
Oft und vielerorts ist in den letzten Jahren das Scheitern des Konzepts der Moderne, der künstlerischen Visionen der Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts konstatiert und beklagt worden. Es muß hier nicht die Welle postmoderner Theoriebildungen zitiert werden, um die begriffliche und methodologische Verwirrung deutlich zu machen, die im Gefolge dieses Abgesangs der Moderne entstand. Der Zitierzwang postmoderner Moden machte das Desaster augenfällig, und auf dem letztjährigen Kölner Kunstmarkt 1986 konnte nicht einmal mehr von kreativer Krise geredet werden, Hilflosigkeit kennzeichnete Auswahl und Angebot der überwiegenden Zahl der Galeristen. Immer wieder ist nach den Ursachen dieser Entwicklung gefragt worden und immer wieder wurde dabei letztendlich auf ein postmodernes Bewußtsein verwiesen, daß sich im Wissen um den Fundus der Geschichte und angesichts der Zweifel an neuer sinnstiftender Kunst sowie der damit verbundenen ideologischen Gefahren auf die Position eines historischen Nachlaßverwalters zurückzog. Doch leider wurde dieser Nachlaß nicht angemessen oder wenigstens behutsam verwaltet, sondern wahllos geplündert. Im Kontext der Diskussion einer radikalen Malerei ist eine radikale Besinnung auf diesen Nachlaß der Moderne, auf das ursprüngliche in der Theoriebildung wie in der künstlerischen Praxis verkümmerte Kritikpotential der Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts dringend notwendig.
Kernpunkt dieses künstlerischen Potentials und grundsätzliche Antriebskraft war immer wieder und von den unterschiedlichsten Ansätzen her die malerische und bildhauerische Auseinandersetzung mit der Realität. Dieser Bezug und allein schon der Verweis auf diesen Bezug ist heute in mancher Hinsicht problematisch. Auf den ersten Blick scheint es nicht weiter bedeutsam, ja einem Allgemeinplatz…