Michael Hübl
Dieter Villinger
»Weiss«
Stiftung für konkrete Kunst, Reutlingen, 11.6. – 29.10.2006
Für die Farbe Weiß sieht es in der Kunst gegenwärtig schwarz aus. “Die Bilder müssen brennen” titelte Ende Oktober 2006 die Süddeutsche Zeitung. Die flammende Headline krönte einen Abgesang auf den White Cube. Der rein weiße Ausstellungsraum, der als Gehäuse oder Klause der Kunst in farblicher Askese verharrt, ist seit den 1960er-Jahren wiederholt in Frage gestellt worden. Das Münchener Blatt griff die Diskussion wieder auf, weil Helmut Friedel das museale Neutralitätsprinzip für das Lenbachhaus außer Kraft gesetzt hat: Der Direktor des Hauses präsentiert die Werke des Blauen Reiters neuerdings auf Wänden, die er zuvor zeitgenössischen Künstlern zur Gestaltung überlassen hatte. Nun prangen die expressionistischen Gemälde von August Macke auf einem Hintergrund aus schwarz-weißem Efeumuster, das Thomas Demand entworfen hat, und Alexej Jawlensky tritt in Konkurrenz mit den gesprayten Farbentgrenzungen Katharina Grosses. Doch nicht nur in Museen geht man auf Distanz zum Weiß. Seit Jahren feiert auf deutschen Bühnen ein Stück Erfolge, das “Kunst” heißt und Männerfreundschaft meint. Die französische Autorin Yasmina Reza lässt drei konträre Charaktertypen aufeinanderprallen, die sich streiten, entfremden, trennen, wieder zusammenfinden. Als dramaturgischer Katalysator dient ihr ein monochrom weißes Bild. “Ein weißes Stück Scheiße”, sagt Yvan, der innerhalb des Herren-Trios den Rationalisten gibt. “Ein weißes Stück Scheiße” – und jedes Mal Lacher im Publikum.
Ist es also Mut oder Anachronismus, wenn die Stiftung für konkrete Kunst in Reutlingen in weiß gestrichenen Räumen 23 ausschließlich weiße Malereien von Dieter Villinger zeigt? Nein. Die Ausstellung liefert den eindrucksvollen…