Henri Pierre Jeudy:
Die Welt als Museum
Einer der weitest verbreiteten Träume besteht darin, jedem sein eigenes Museum einzurichten. Kommt das wirklich daher, daß man dem Wunsch nach Erhaltung entsprechen will? Die systematische Rehabilitierung alter handwerklicher oder andersgearteter Gegenstände, die Reduzierung ihrer symbolischen Funktion zu einem kulturellen Zeichen, könnte Teil eines breit angelegten Vorgehens gegen den Untergang von Bräuchen, von bestimmten Formen des sozialen Lebens und insbesondere gegen den Zusammenbruch der Geschichte sein. Die derzeitige Apologie der regional und örtlich je eigenen Ethnokulturen ähnelt jedoch eher einer Mumifizierung der Sozialität bzw. einer kraftlosen Wiederbelebung dessen, was tot ist. Wo man sozialen Lebensformen, im Glauben, sie warteten unter den Trümmern von einst lebensfeindlichen Institutionen drängend auf ihre Befreiung, neue Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen versucht, wird in Wirklichkeit bJreits Abgestorbenes zu neuem Leben erweckt. Das kulturelle Erbe ist nur die Geschichte einer Destruktion, die in einem Spiel konstruktiver und sogleich museal eingemeindeter Bilder rehabilitiert wird.
Der konservierte Tod erscheint idealiter als ein Bild, das nicht das von etwas Zerstörtem ist. Egal ob es sich um einen für eine Kultur repräsentativen Gegenstand handelt, oder um eine Mumie, die mit derselben Sorgfalt wie ein lebender Körper umsorgt wird, immer werden die Andeutungen der Zerstörung durch das Bild der aufgehaltenen und erstarrten Bewegung des totalen Verschwindens überdeckt. Der museographische Wahn ist demnach in der Lage, durch spektakuläre Großanlagen Leben zu simulieren. {…}
Die Museographie läßt die Vergangenheit zu einem System kultureller Erinnerungszeichen erstarren, sie verwandelt die Erinnerung in ein Wörterbuch der Erhaltung. Die Ethnologie selbst ist – trotz ihrer Kämpfe…