Resonanzen I
Florian Rötzer
Die Verspätung der Philosophie
»Für uns ist aber Kunst das, was wir unter diesem Namen vorfinden.
Etwas, das ist und gar nicht nach Gesetzen zu sein braucht,
ein kompliziertes soziales Produkt.«
Robert Musil
Seitdem die Kunst ihren Gang in die Autonomie genommen hat und nun in Parodien ihrer selbst und der sie in den ästhetischen Konfigurationen überholenden Wirklichkeit endet, ist die traditionelle Philosophie der Kunst ausgebootet, gleich, ob sie einen idealen, einen materialistischen oder einen empirischen Begriff der Kunst im Unterschied zu anderen Bereichen der Erfahrung zu formulieren sucht. Daher wird in endloser Iteration immer wieder zurückgegangen auf den Duchamp der Ready-mades, jener “Werke” also, die unter der Fragestellung entstanden, ob es möglich sei, solche zu “machen”, die keine Kunstwerke sind und gegen die Regeln des Geschmacks verstoßen. Entscheidend ist nicht, daß die Fahräder, Urinoirs oder Kämme doch zu Kunstwerken wurden, sondern daß hier eine Entgrenzung stattgefunden hat, die nicht mehr zu schließen ist – weder theoretisch noch in der künstlerischen Produktion. Den zur Kunst erklärten Dingen und Ereignissen sieht man es oft nicht mehr an, ob sie sich durch ihre Form von anderen des Alltags unterscheiden. Die Aufladung mit ästhetischer Bedeutung scheint lediglich abhängig von ihrem Gebrauch bzw. ihrer performativen oder institutionellen Auszeichnung als Kunst zu sein. Zwar haben sich die Grenzen zwischen Kunst und Alltag nicht gänzlich aufgelöst, nur sind sie in permanenter Fluktuation, ohne daß irgendwelche Merkmale noch existieren würden, nach denen sich entscheiden ließe, welcher Sphäre ein Gegenstand zugehört. Über diese Schwierigkeit betrügen in…