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Titel: Die fotografische Dimension · von Florian Rötzer · S. 158 - 165
Titel: Die fotografische Dimension , 1995

Die Technologische Dimension

»Digitale« gegen »analoge« Fotografie

Von Florian Rötzer

Vilém Flusser, der eigentlich an meiner Stelle zu diesem Symposium über Fotografie eingeladen war, hätte sicherlich eine kurze, aber prägnante Geschichte des alphanumerischen Codes skizziert, der mit der Computertechnik, obgleich auf digitaler Basis beruhend, übergeht in ein Denken in Bildern oder in eine neue Einbildungskraft, die sich dank der synthetischen Bilder entfalten kann. Menschen, das wurde zweifellos bis zu neueren Erkenntnissen der Epistemologie, der Kognitionswissenschaften und den Simulationen zur künstlichen Intelligenz meist zuwenig oder nur kritisch als vorrational bzw. arational beachtet, sind die einzigen Wesen, die Bilder machen und Bilder erkennen können, d.h. sie auch in aller Regel nicht mit Gegenständen verwechseln, die sie, als materialisierte, ja auch sind. Die Philosophie, wie sie sich im klassischen Griechenland ausbildete, entstand aus einer Kritik an Bildern, und zusammen mit dem trotz aller Einsprüche prägenden Bilderverbot des jüdisch-christlichen Glaubens bildet sie trotz oder wegen aller Bilderfluten auch heute noch unseren Hintergrund. Die von Jean-François Lyotard im Rückgriff auf Kant und unter dem Einfluß von Heidegger wiederaufbereitete Ästhetik des Erhabenen zeugt nur als Beispiel von dieser Ambivalenz zwischen Ikonoklasmus und Ikonolatrie.

Unsere Kultur ist noch immer damit beschäftigt, die vermeintliche Gefahr der Bilder zu bannen. Sie hütet die gesellschaftlich anerkannte Wirklichkeit, zensiert Bilder, psychiatrisiert andere Vorstellungen oder teilt Bilder verschiedenen Bereichen zu, in deren Grenzen und unter deren Bedingungen sie sich – wie etwa in der Kunst oder auf den Bildschirmen – entfalten dürfen. Konflikte entstehen, wenn die Bilder die Grenzen der ausdifferenzierten Bereiche überschreiten, sie sich mit…

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