Heinz-Norbert Jocks
Paul Kaiser
Die Stimmung ist besser als die Lage
Paul Kaiser ist Kultur- und Kunstwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 537 Institutionalität und Geschichtlichkeit” der TU Dresden. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Anatomie des DDR-Kunstsystems, Geschichte der Leipziger Schule”, Studien zur Künstlerrolle. Er arbeitet zusammen mit Karl-Siegbert Rehberg an einer Geschichte der Leipziger Schule”, die 2006 erscheinen soll. Bisher erschienen von ihm: Boheme und Diktatur in der DDR”, Berlin 1997; Hrsg. (jeweils zus. mit Karl-Siegbert Rehberg) Enge und Vielfalt. Auftragskunst und Kunstförderung in der DDR”, Hamburg 1999 und Abstraktion im Staatssozialismus. Feindsetzungen und Freiräume im Kunstsystem der DDR”, Weimar 2003. Mit ihm korrespondierte Heinz-Norbert Jocks, um mehr über die historischen und zeitbedingten Hintergründe des Aufstiegs der sogenannten Neuen Leipziger Schule zu erfahren.
H.-N.J: .Die sogenannte Neue Leipziger Schule macht derzeit Furore. Was für ein Wind weht derzeit in dieser im Aufwind scheinenden Stadt? Wie ist dort das kulturelle Klima, die Lage innerhalb der Kulturszene insgesamt?
P.K.: Leipzig wurde in der DDR zu einer radikal entbürgerlichten Bürgerstadt. Dieser paradoxe Befund gilt heute noch, auch wenn nach 1989 eine schwache Gegenbewegung einsetzte. Das Problem betrifft vor allem die offensichtliche Leerstelle einer kritischen Öffentlichkeit, die ein engagiertes Stadtmagazin wie der Kreuzer” nicht wirklich füllen kann. Diese Situation macht Leipzig aus unterschiedlichen Gründen auf eine hemdsärmlige Art sympathisch. Zum einen, weil die proletarische Grundierung bis in die Sphären der Hochkultur reicht. Zum anderen, weil es keine etablierten Diskursgemeinschaften gibt, die sowohl entschleunigend als auch korrigierend in diesen Pragmatismus der schnellen Tat eingreifen. Zugleich macht die Situation anfällig für alle…