Paolo Bianchi
Die Sammlung Mario Praz
Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom,
21.5.-6. 9.1987
Gleich vorweg: Während die Verlegenheiten bei der Avantgarde in New York wie in Zürich, in London wie in Paris seit Jahren anhalten und die heutige Kunstszene sich zunehmend als eine Geisterbahn für Kunsthistoriker gebärdet, wirken die gezeigten Bilder und Aquarelle (1776-1870) aus der Sammlung Mario Praz in Rom wie eine Offenbarung. Daß gerade ein Museum für Moderne Kunst, welches sich im stolzen Besitze eines Gemäldes von Gustav Klimt und einer umfangreichen Anzahl futuristischer Werke wähnt, das Wagnis eingeht und den Beweis erbringt, daß es in der Kunst keine Tabus mehr gibt, »nicht einmal die des ‘Reaktionären’, des Romantischen, des Literarischen, des Verrats an der Modernität, am Fortschritt« (Eduard Beaucamp), ist überraschend und bemerkenswert zugleich. Dieses Ereignis fußt auf einem Faszinosum besonderer Art, das eine Entdeckung hundertprozentig lohnt: Mario Praz, sein Haus und seine Kunstsammlung.
Nach kurzem Gespräch und freundlicher Inquisition über Interessen und Person des Besuchers, weshalb dieser sich bis zu diesem berühmten aber doch sehr intimen Ort vorgewagt habe, begann Mario Praz (1896-1982) jeweils den bedächtigen Rundgang durchs Haus, die geduldige Illustration seiner Schätze. Als Priester eines profanen Kultes der Erinnerung, seine hundertmal rezitierte Litanei lustvoll vortragend, wußte Praz in seiner Art den Eindringling immer wieder aufs Neue zu begeistern.
In den drei »visitor’s books«, die zwischen 1949 bis 1982 jeden Besuch registrierten, tauchen viele Freunde und Kollegen wie auch Gelehrte und Sammler auf. In gewisser Art war die »casa della vita« ein exklusiver Intellektuellenzirkel; hier verkehrten unter den ausländischen…