Die Potsdamer Kunsthalle ist doch keine Provinzposse
Ein Interview mit Christoph Tannert zum ersten Projekt in der Kunsthalle Potsdam
von Peter Herbstreuth
P. H.: Was bedeutet “Fontanelle” für die künftige Potsdamer Kunsthalle?
C. T.: “Fontanelle” ist mehr als eine Ausstellung. “Fontanelle” ist Musik, Geruch, Kommunikation. Es ist ein T-Shirt, eine Langspielsplatte und ein Kinderschrei. Es ist Populärkultur und Brachialgewalt, Plakatierung und traditionelle Kunst nach Duchamp. Und “Fontanelle” steht in jedem Fall für die Dominanz eines appellativ-inhaltlichen, ästhetisch-politischen Moments vor autonomen Positionen. Das paßt in die Situation. Und das paßt in den Osten jetzt, Flagge zu zeigen. Ich bin für programmatische Positionen mit starker Attitüde. Die Paukenschläge müssen in der Gegenwartskunst fallen. Und ich erlaube mir mit dieser Kunsthalle ganz in der Nähe von Sanssouci, die Berliner etwas Mores zu lehren.
“Fontanelle” steht für sehr vieles.
Er soll eine Lücke aufreißen, wo heraus etwas erwächst. Zwischenfälle, Unfälle, Situationen, die provokanterweise etwas auf den Punkt bringen. “Fontanelle” ist ein medizinischer Begriff und meint offene Knochenlücke. Man muß ihn sich als Wunde, Riß, Spalte, als alles, was mit dem Dazwischen zu tun hat, denken. Er hat nichts mit Fontäne noch mit Fontane zu tun. “Fontanelle” benennt ein Prinzip: Offenheit, Differenz, Messer und Wunde in einem, Verletzung.
Welches künstlerische Konzept folgt daraus ?
Dissidenter Realismus! Wie ist Wirklichkeit zu sehen? Welche Visionen lassen sich daraus entwickeln? Wir interessieren uns für die Realität, die außerhalb der “Realität Kunst” liegt. Natürlich entspricht das Konzept den traditionellen Kunsthallen in der Weise, daß es diese zu konterkarieren versucht. Ich muß ja mit dem Raum…