SETON SMITH:
»Die Oberfläche, auf die wir schauen, vermag unseren Blick nicht festzuhalten«
EIN GESPRÄCH VON DORIS VON DRATHEN
Beinahe im diagonalen Gegensatz zur Generation ihrer amerikanischen Väter ist Seton Smith von europäischer Kultur angezogen wie von einer exotischen Welt. Als Tochter des Architekten und allgemein sogenannt minimalistischen Bildhauers Tony Smith begeistert sie sich für Renaissance-Malerei, lebt seit fünfzehn Jahren in Paris, interessiert sich für die ironische Untergrabung übermächtiger architektonischer Fixierungen einerseits und der Illusion festgefügter Realitätswahrnehmung andererseits. Daß sie das mit fotografischen Mitteln unternimmt, ist für sie weniger der Rede wert, als warum sie das tut.
Von November ’98 bis April ’99 zog sie im New Yorker Whitney Museum mit der Ausstellung ‘A Pale Guide to Transparent Things’ eine überraschende Summe aus 20 Jahren Arbeit an einer heiklen Beobachtung von mehr oder weniger alltäglichen Lebensräumen.
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Doris von Drathen: Eins deiner frühen Raum-Modelle hast du ‘Annonciation’ genannt, du baust da etwas, das architektonisch eigentlich nicht geht, nämlich sozusagen überlappende Räume, ein Phänomen, das in der Renaissance-Malerei, etwa bei Duccios Verkündigung virtuoses Thema ist.
Seton Smith: Mein Bezug war und ist eher Fra Angelico. Der Besuch in San Marco war für mich, als ich mit achtzehn zum ersten Mal in Italien war, eine Art Schock. Ich kannte davon bis dahin nur Abbildungen. Seine Fresken, die Innen und Außen, Natur und Architektur verbinden, diese Räume, die selbst auf den Garten offen sind, aber auch wieder eine Klausur bedeuten, die gemalten Räume in den alten Räumen – das hatte mich damals, noch lange bevor ich selbst künstlerisch arbeitete,…