Mannheim
Die Neue Sachlichkeit
Ein Jahrhundertjubiläum
Kunsthalle 22.11.2024 – 09.03.2025
von Reinhard Ermen
„Das Chaos ist aufgebraucht“ heißt es am Ende von Bertolt Brechts Im Dickicht der Städte (1920 / 23), ein Schauspiel, in dem sich Leben, Geld und Macht im Kampf Mann gegen Mann sportiv verbrennen. Ein Autor, bzw. sein alter Ego legt das quasi expressionistische Tohuwabohu zur Seite, um sich neuen konstituierenden Umgebungen zuzuwenden. Es scheint, als habe Gustav F. Hartlaub auch so etwas im Sinn gehabt, als ihm die Idee zu einer Ausstellung kam, die einer ganzen „Richtung“ den Namen gibt: Neue Sachlichkeit. Gemeint ist „Deutsche Malerei nach dem Expressionismus“. Die Konsolidierung der Weimarer Republik ist im vollen Gange, die kurzen, goldenen 20er sind angebrochen, Hartlaub hält Ausschau nach „Wirklichkeitskunst“, nach Abbildern der Gegenwart ohne ekstatische herausgeschleuderte Hemmungslosigkeiten, die Sehnsucht nach dem wieder erwachten „Handwerk“ spielt mit, genauso wie ein vorsichtiges Aufatmen mit Blick auf die Tradition: „Bald wird man wissen, dass die neue Kunst in der älteren keimhaft enthalten war“, heißt es im Vorwort zum Katalog von 1925. Dafür hatte Hartlaub 132 Arbeiten von 32 Künstlern ausgewählt. Wesentlich umfangreicher, in einem guten Sinne unübersichtlicher gibt sich die Bilanz 100 Jahre später, am gleichen Ort in der Kunsthalle Mannheim.
Die Begrenzung auf Deutschland gilt nicht mehr, die Kuratorin Inge Herold erweitert auch den zeitlichen Rahmen, denn was mit einigen Protagonisten der Kernzeit nach 1933 geschieht, wirft auch ein interessantes Licht zurück. Künstlerinnen gab es im Original nicht, auch das ist eine sinnfällige Ergänzung, die das Gesamtbild nicht eigentlich umkrempelt, aber sprechende Perspektiven…