Ralf Beil
Die Nacht
Haus der Kunst München, 1.11.1998 – 7.2.1999
Die Nacht, das ist weit mehr als nur der Zeitraum vom Untergang der Sonne bis zu ihrem nächsten Aufgang. Mag auch kaum noch jemand in ihr die antike Urgöttin Nyx, Hesiods “Mutter der Götter”, erkennen oder die Nacht, wie es noch im Mittelalter geschah, als Ursprungsmacht alles Teuflischen begreifen: Es bleiben anthropologische Konstanten der Nachterfahrung – so hell wir unsere Nächte auch ausleuchten mögen. Bis heute ist die Nacht die Stunde der Liebe, der Geburt, der Melancholie und des Rauschs, der natürlichen wie gewalttätigen Tode. Aller Kontrolle und Elektrifizierung zum Trotz hat sie nichts von ihrer so prekären wie faszinierenden Verwobenheit mit Eros, Morpheus und Thanatos eingebüßt.
Gerade ihre grundlegende Ambivalenz und Intensität noch im Schlaf – zwischen Traum und Trauma – bedingt, daß es neben dem Alltag eben kein ‘Allnächtliches’ gibt. Die besondere Macht der Nacht spiegelt sich in klinischen Phänomenen der Nachtangst – pavor nocturnus und des Nachtschweißes über Somnambulismus und Lunatismus bis hin zu Nachtgedanken, die weit in den Tag hineinreichen können. So sehr unsere Welt entzaubert scheint, die Nacht hat ihre Abgründe, ihr dunkel schillerndes Geheimnis nicht verloren. Ein Geheimnis, das durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder Künstler zur Darstellung herausgefordert hat.
Kurz: Christoph Vitali und Hubertus Gaßner vom Münchner Haus der Kunst haben gemeinsam mit Erika Billeter ein spannendes, ja geradezu aufregendes Thema aufgegriffen, das von der Kunstwissenschaft bisher kaum bearbeitet wurde und schon gar nicht mit “enzyklopädischem Anspruch” (Vitali). Dabei ist die Nacht nicht nur anthropologisch-kulturgeschichtlich, sondern…