Die Moderne als Joker
von Sabine B. Vogel
Samtbespannte Wände, bunte Teppiche, Disco-ähnliche Beleuchtung, eine Videoprojektion und dazwischen kuriose Objekte: Für einige Wochen verwandelte der in New York lebende Künstler Alex Da Corte die Wiener Secession in eine Wohlfühloase mit Gruseleffekten und eingebautem Kino. Das dort vorgeführte Video „Slow Graffiti“ bezog sich auf den 1967 entstandenen Kurzfilm „The Perfect Human“ von Jorgen Leth. Leth hatte Menschen im Stil einer Naturdokumentation präsentiert, sie jedoch wie in einem wissenschaftlichen Experiment in einem weißen Raum gezeigt. Da Corte greift diesen sterilen Raum auf, verkleidet sich als Frankenstein-Monster und umrahmt die „perfekten Menschen“ mit seiner überbordend plüschigen Rauminszenierung. Alles ist absurd, überzeichnet und spricht einer Formensprache, die Lichtjahre von der Moderne entfernt scheint – und ist darin eine Herausforderung. Denn wir sind Kinder der Moderne1.
In dieser Zeit wuchsen wir mit einem fortschrittsorientierten Glauben an Innovationen auf. Mit Traditionen wurde gebrochen, es war eine Zeit des Tabula Rasa, von Radikalität und einer gleichzeitigen, enormen Ordnungsfreudigkeit. In Zehnjahres-Schritten wurden in der Kunst neue Werte, neue Formen behauptet, jede neue Tendenz erhielt schnell einen eigenen Begriff, unter dem alles zusammengefasst und damit kontrolliert werden konnte. Was nicht hineinpasste, existierte nicht – eine Situation, die heute in Entdeckungen übersehener KünstlerInnen der Moderne korrigiert wird. Auf der 14. Lyon Biennale 2017 war gerade eine Wandarbeit des französischen Künstlers Julien Discrit zu sehen, die wie das Motto der aktuellen Revisionen gelesen werden kann: „What is not visible is not invisible“. Die Schrift ist auf eine schwarze Wand in einem verdunkelten Raum…