Klaus Honnef
Die Malerei lebt-warum?
Zu den Bildern von Kuno Gonschior
Wirft man einen Blick auf ihre Entwicklung in den vergangenen hundertfünfzig bis zweihundert Jahren, dann erkennt man, daß die Malerei einen entscheidenden Wandel durchgestanden hat. Dies zeigt sich allein schon an den äußeren Faktoren. Wies sie früher noch eine unmittelbare Anbindung an die sichtbare, an die dinghaft erfahrbare Wirklichkeit auf, so ist das einstige Verhältnis inzwischen ersetzt worden durch entweder eher mittelbare, das heißt: vielfältig gebrochene Beziehungen zur Wirklichkeit oder durch eine Position, die vollkommene Autonomie für sich behauptet.
Der Wandel realisiert sich jedoch nicht an und in den äußeren Faktoren. Er ist vielmehr grundsätzlicher und umwälzender Art. Er hat direkt in die Basis des Selbstverständnisses der Malerei eingegriffen und deren künstlerische Erzeugnisse in ihrem Wesen, ihrer Struktur verändert.
Allzu lange hat man sich an der Veränderung der äußerlichen Merkmale aufgehalten. Daß die Formen der Malerei vorher in den Formen der physischen Wirklichkeit wiedererkannt werden konnten, ist nur von oberflächlichem Interesse. Im übrigen sind die Formen der sogenannten realistischen Malerei im Prinzip ebensowenig konkret und wirklichkeitsgesättigt wie die Formen der später folgenden abstrakten Malerei. Von Bedeutung hingegen ist die Tatsache, daß die radikalen Umwälzungen ihre Ursache nicht in einer kunstinternen Auseinandersetzung hatten, sondern von außen an die Malerei herangetragen wurden.
Die Ursachen sind gesellschaftlicher, sie sind nicht künstlerischer Herkunft. Damit kristallisiert sich das Eingewurzeltsein selbst der noch so scheinbar wirklichkeits-unabhängigen Kunst in die allgemeinen gesellschaftlichen Bedingungen heraus und entlarvt jene kunstkritische Methode als gleichermaßen ungenügend wie verfälschend, die den Eindruck erweckt, als resultierten die…