Reinhard Ermen
Die Macht der Konzentration
ZU DEN BILDERN DER MAX COLE
Zahllose vertikal aneinander gesetzte kurze Striche werden zu Zeilen gereiht, die unmittelbar aneinanderstoßen oder sich geringfügig überlappen. Breite pastose Linien folgen, ja unterstreichen die so gegebenen Horizontalen, und gelegentlich werden die ‘natürlichen’ Linien, in denen sich die Schraffuren berühren, von den satten Streifen überdeckt. Wie durch Jalousien wird hier das Hell-Dunkel reguliert. Die Grundstimmung ist durch das Gitter der ungezählten Vertikalen gesetzt, aus denen sich die Horizontale summiert; der große allgemeine Lichtwert ergibt sich aus den pastosen Linien, denen grundsätzlich eine Tendenz zum Verdunkeln eignet, selbst wenn ihre Farbe licht und offen ist. Der Betrachter könnte sich an aufgeschlagene Partituren erinnert fühlen, die eine unmögliche Musik versprechen, oder er sieht Kalligraphien, die sich unendlich weit vom Dienst des Erzählens entfernt haben. Diese Textur steht indes nur für sich bzw. ihren repetitiven Eigensinn. Reste von Sprache und Musik lassen sich trotzdem nicht ganz abschütteln, die starke auratische Sogkraft dieser Bilder wird im übertragenen Sinne von einem nicht genau zu benennenden Raunen untermalt.
Seit ca. 1973 arbeitet Max Cole (*1937) mit den eingangs skizzierten Elementen, daß heißt: anfangs wurden die Zeilen noch durch Rahmen oder durch einmontierte Schwarz- oder Weißfenster relativiert. Doch mit der Alleinherrschaft eines konzentrierten Ordnungssystems hat sich die ‘Schrift’ der Bilder grundsätzlich nicht mehr verändert, wohl aber nach innen differenziert. Der zeichnerische Anteil, der in den Bildern die conditio sine qua non ist, war anfangs womöglich größer. Die Tuschezeichnung, also jene konstituierenden Stricheinheiten, lag weitgehend offen auf der Leinwand in…