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Titel: Kunstwerte - Markt und Methoden · S. 178 - 185
Titel: Kunstwerte - Markt und Methoden , 1989

Peter Sloterdijk
Die Kunst faltet sich ein

1. Auf wessen Konto geht die Kunst?

Gibt es einen Liebhaber der Künste, der nie davon geträumt hat, in ein Museum einzudringen, um mit dem Werk seiner Wahl allein zu sein? Läßt sich eine Werkbetrachtung denken, die nie davon überzeugt war, die einzige zu sein, in der das Objekt ganz zu sich kam? Sollte es Kenner ästhetischer Geheimnisse geben, die nicht vertraut wären mit der Versuchung, die anderen Blicke auf das Werk zu verbieten?

Der Kunstbetrieb ist ein System der Eifersüchte. In ihm geht das Begehren der Werke darauf aus, Objekte des Begehrens zu werden. Hat ein Werk Begehren auf sich gezogen, so treten die Rivalen daneben und wollen sich das Verlangen aneignen, das dem anderen galt. In allen Objekten glitzert das Verlangen nach dem Verlangen der anderen. Der Markt macht sinnlich, der Hunger nach Begehren macht schön, der Zwang zum Auffallen erzeugt das Interessante. Dieses System funktioniert so lange, wie der Gedanke an den erfüllten Augenblick tabu bleibt. Obwohl die Werke an das Begehren appellieren, ist ihnen die Hingabe an ihre Aneigner untersagt. Ihr Wert lebt davon, daß sie sich ihren Besitzern verweigern und auf weitere Angebote warten.

Seit zwei Jahrhunderten ist die Verbürgerlichung der Gier im Gang. Sie hat nach dem Großbürgertum auch den Mittelschichten eine neue Sinnlichkeit erschlossen. Der Wertmagnetismus versetzt inzwischen ein wahrnehmbares Publikum in eine kleine Hitze. Wer jemand sein will, eröffnet in seinem Innern ein Konto für die Kunst. Es fällt nicht ins Gewicht, daß auf dem Konto nur wenige Bewegungen…


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