Sigrid Schade
Die Kunst des Kommentars
Aus der Kunst eine philosophische Frage machen…, heißt das nicht die Herrschaftsgeste der Philosophie wiederholen, die immer schon die Kunst dem Logos und der Wahrheit unterordnen wollte und die bezeichnenderweise immer schon an die Spitze der Hierarchie die Sprachkünste, die Poesie gestellt hat?
Sarah Kofman, Melancholie der Kunst1
Zerstreuung der Philosophie
Aus der Kunst eine philosophische Frage machen, ohne in den Herrschaftsgestus der klassischen Philosophie zu fallen, ist das zentrale Anliegen einiger französischer Denker/innen2, die seit den 70er Jahren nach eigenem Bekunden “in den Kunstbetrieb geradezu eingefallen (sind), was die Kritiker, die Ausstellungsmacher und zuweilen auch die Künstler ziemlich irritiert hat”.3
Kunsthistoriker, Kritiker und Künstler, die bislang eine Philosophie der Kunst als idealistische Ästhetik kannten und von dieser ihre Paradigmen bezogen (das gilt noch für die meisten Avantgarde-Theorien, einschließlich der Peter Bürgers), sind seither mit einem Kunst-Kommentar konfrontiert, der mit ihren eigenen Kommentaren konkurriert und gleichzeitig den Wahrheits- und Herrschaftsanspruch aufgibt, auf den sie selbst noch angewiesen sind, solange sie hermeneutisch verfahren.4 Kein Wunder, daß ein Denken, das die eigenen Voraussetzungen befragt, auf Widerstände stößt.5 Die Philosophie ist zu ihrem “Einfall” in den Kunstbetrieb wegen ihres Vermögens, die allgemeinen Bedingungen menschlicher Tätigkeiten und Werke zu befragen, berechtigt; aber nur dann – so Lyotard – wenn sie nicht als Institution rekonstruiert wird, sondern “als eine besondere Art und Weise, sich Problemen zu nähern, die nicht auf etwas anderes reduzierbar sind. Philosophie fragt, außer nach ihren eigenen, nach den Voraussetzungen jedes Werks, was immer es auch sei – Kunst, Technik, Politik.”6
Gleichzeitig…