Die Kunst des Grundeinkommens
Eine Retrospektive
von Philip Kovce
Wer sich einst daransetzen wird, eine Geschichte der Corona-Pandemie zu verfassen, dem wird kaum entgehen können, dass diese Pandemie entschieden dazu beitrug, der keineswegs neuen Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens vielstimmig Nachdruck zu verleihen. Dabei gehört zur Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet eine Pandemie dafür sorgt, dass schließlich eintritt, was der Unternehmer Götz Werner als ebenso lautstarker wie langjähriger Grundeinkommensverfechter in präpandemischen Zeiten immer wieder prophezeite: nämlich dass die Idee früher oder später „epidemisch wird“1 – eine Weissagung, die der Philosoph Peter Sloterdijk im Rahmen einer Laudatio (2012) übrigens freudig begrüßte: „Hoffen wir“, so Sloterdijk, „dass wir den Ideen von Götz Werner hinreichend nahekommen, um von den Viren der Werner-Welt zu unserem eigenen Vorteil angesteckt zu werden“.2 Nun ja.
Eine Zukunft mit Grundeinkommen lässt sich niemals simulieren, sondern nur realisieren, niemals testen, sondern nur gestalten.
Das Epidemisch-Werden der Grundeinkommensidee angesichts der Corona-Pandemie lässt sich nicht nur an steigenden Zustimmungswerten, sondern stichprobenartig auch an Forderungskatalogen ablesen, die von unterschiedlichsten kulturell-kreativ-künstlerischen Interessenvertretungen nicht zuletzt im Zuge des Lockdown-Lagerkollers aufgestellt wurden: So plädiert beispielsweise der freischaffende Leipziger Countertenor David Erler gemeinsam mit rund 300.000 Unterzeichnern in einer an Bundesfinanzminister Olaf Scholz gerichteten Petition für ein „temporäres (bedingungsloses) Grundeinkommen“ für „Freiberufler und Menschen aus der Kreativszene“;3 der Deutsche Musikrat setzt sich für ein „befristetes Grundeinkommen“ für „alle freiberuflichen Kreativschaffenden“4 ein; das PEN-Zentrum Deutschland befürwortet „schnell, unbürokratisch, effizient“ ein „Grundeinkommen für Solo-Selbstständige in der Kultur“.5
So verständlich diese politischen Forderungen angesichts der offenkundigen finanziellen, ja existenziellen Notlage vieler freier Künstler auch sein…