Paolo Bianchi
Die Kunst der Selbstdarstellung
Ästhetisches Dasein zwischen Erscheinen, Existenzialismus, Existenzsetzung und Selbstkultur
Eine Reflexion über die Kunst der Selbstdarstellung stellt Fragen nach der Ausstellung, der Inszenierung und der Präsentation des eigenen Selbst. Der Mensch lebt mit seinem Schauspieler-Ich in der permanenten Inszenierung des Selbst. Einer Zurschaustellung des Ichs vor anderen kann er nicht entkommen. Wenn sich die Selbstdarstellung in der Kunst und diejenige im Alltag immer ähnlicher werden, machen die Nuancen den Unterschied. Die Kunst der Selbstdarstellung findet sich nicht im Gestus von Provokation und Subversion, sondern setzt auf die (kleine) Abweichung, auf die Abversion. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Kunst der Selbstdarstellung lebt von Protagonisten, die sich widerständig zeigen und in der Präsentation ihrer «Selbstwerke» schwer durchschaubar oder undurchschaubar bleiben. Der Selbstdarstellungs-Künstler setzt sich ab durch den Wunsch zur Differenz: «Um ein Selbst zu sein, muss ich anders sein als die anderen.» – «Ich bin, indem ich mich unterscheide.» – «Was ich bin, erfahre ich nur im Unterschied zu den anderen.» Die Selbstverschleierung im Alltag wird von der Kunst in eine Form der Selbststeigerung transponiert. Für diese Lebens-Steigerung stellt der Selbstdarsteller sogar das gewöhnliche Leben zur Disposition. Für ihn existiert, was Adorno bestreitet: ein richtiges Leben im falschen. Seine Selbsterfindung kann gelingen, auch wenn dem alles entgegensteht.
Die Kunst der Selbstdarstellung hat das Selbst zum Fokus. So gilt auch, dass sich das Selbst aus dem Akt der Selbstdarstellung generiert. Die unverstandene Rede vom Tod des Subjekts wird durch das Prinzip der Selbstdarstellung überwunden oder durch sie als…