Claudia Wahjudi
Die kleine Freiheit
Mobile Kunstkollektive in Berlin
Im Zentrum von Berlin wird es eng. Zwar stehen noch immer viele subventionierte Neubauten leer, doch der Raum in den attraktiven Altbauvierteln ist knapp geworden. Neue Restaurants zahlen Spitzenmieten, und auch dort, wo Wirte den Kaffee noch für zwei Mark ausschenken, hat der Investor bereits angeklopft.
Restitutionsansprüche und Sanierungspläne greifen. Seitdem haben freie Projekte in Berlins Mitte schlechte Chancen. Rund 80 Prozent des künstlerisch genutzten Raums werden hier in den nächsten zwei bis drei Jahren verlorengehen, heißt es in einem Gutachten, das der Berufsverband Bildender Künstler und das Kulturamt des Bezirks 1997 erstellten. Wie schwer das Bleiben wird, zeigt sich am Milchhof. Die Ateliergemeinschaft, die sich 1991 auf dem Gelände einer ehemaligen Meierei gründete und Platz für rund 40 Künstler bietet, verhandelt seit Monaten über die Räume, die einem Molkereiunternehmen rückübertragen wurden. 30.000 Arbeitsstunden und 400.000 Mark, die die Künstler in Haus und Hof investierten, stehen auf dem Spiel.
Die Situation provoziert neue Strategien. Ist die Stadtmitte zu teuer, zieht man an den Rand des Zentrums; gibt es keine Häuser auf Jahre mehr, plant man nur noch auf Zeit und sucht eine Bleibe im virtuellen Raum des Internets. Ein Beispiel für solch eine temporäre Planung sind die alten Edison-Werke in der Schlegelstraße, im dunklen Viertel hinter der Kunstmeile Auguststraße. Auf Einladung des Grundstückseigners, einer Baufirma, hat hier ein Zusammenschluß von Architekten, Clubgestaltern, Radio- und Internetautoren sowie Ausstellungsorganisatoren vorübergehend Station gemacht – über die Etagen verteilt, jeder mit seinem eigenen Projekt.
Und das Publikum kommt, egal, ob…