Die Katze im Archiv
Ein Gespräch mit Stefan Aue
von Knut Ebeling
Die Besonderheit des Archivs der Avantgarden (AdA) in Dresden besteht in einer Doppelheit aus Kunstsammlung und Archiv, die zudem heute an zwei verschiedenen Orten untergebracht sind.1 Das Archiv ist nicht nur dienendes Archiv zur Sammlung, sondern autonom in dem Sinne, dass der Sammler Egidio Marzona, der sein Archiv 2016 den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden stiftete, stark geprägt vom Kunstbegriff der 1960er Jahre, gezielt Archivalien aus dem Kunstfeld sammelte, die unabhängig von den gesammelten Kunstgegenständen sind. Sie dokumentieren den künstlerischen Prozess und dessen Umfeld. Das AdA begann mit Briefwechseln, Manuskripten, Manifesten, Fotografien, Broschüren, Einladungskarten, Künstlerschallplatten und Filmen. Vertreten sind Avantgarden von den Futuristen, Dadaisten, Konstruktivisten und Surrealisten, über Werkbund, Bauhaus, HfG Ulm bis zum Black Mountain College. Schlusspunkt bilden die 1960er bis 1980er Jahre bis zur Postmoderne. Hier werden Archivalien selbst zu Kunstgegenständen – oder, in den Worten Michel Foucaults, von Dokumenten, die etwas abbilden, zu Monumenten eigenen Rechts.
Stefan Aue: Der Status der Objekte im AdA ist zentraler Ansatzpunkt, um die Kontexte der Sammlung und den Charakter des Archivs verstehen und einordnen zu können. Das gilt sowohl für die Verortung der Teilbestände zueinander als auch in Bezug auf den Prozess der Transformation einer privaten Sammlung in ein öffentliches Archiv. Im Kontext von „The Whole Life: An Archive Project“2 haben wir diesen Prozess in den letzten Jahren intensiv begleitet. Es wurde deutlich, dass eine Beschreibung der Bestände mit klassischen Trennlinien zwischen Sammlung und Archiv, Archivmaterial und Kunstwerk, privater Sammlung und öffentlichem Archiv dem…